Was haben eigentlich die Internationalen Kurzfilmtage mit Poetry Slam zu tun? Zunächst erst einmal gar nichts, möchte man vermuten. Film bleibt Film und Poetry Slam bleibt Poetry Slam. Eigentlich. Denn was die Initiatoren um Life P. und Marco Jonas Jahn schon seit 5 Jahren alljährlich während der Oberhausener Internationalen Kurzfilmtage auf die Beine stellen, erzeugt einen Mehrwert für beide Kunstformen.
Film und Poesie werden miteinander verbunden und der Film wird zu mehr, als nur isoliert auf einer Bildfläche zu existieren. Seine Bilder leben im Wort neu auf, werden weitergesponnen, verändert und erneuert. Bei „Poesie trifft Film“ übernehmen sechs Slam-Poeten je eine Patenschaft für einen Film der Internationalen Kurzfilmtage. Sie verfassen exklusiv zu einem ausgesuchten Kurzfilm einen Text, den sie nach der Vorführung des Films performen.
Dabei sind die Filme so unterschiedlich, wie das, was im Wort aus ihnen entsteht. Den Anfang macht „Steherrennen“, ein Film aus altem Super 8 Footage von Stephan Grosse-Grollmann, über das Rennen im Stehen und das ständige Kreisen. Moderator und Initiator Marco Jonas Jahn übernimmt als Opener gleich selber die erste Patenschaft und führt die Bilder des Films konsequent weiter. Mit Michel Klöfkorns Video „xx-xx-xx-gewobenes papier“ wird es abstrakter. Hochglanzplakate werden geschreddert und bis zur Unkenntlichkeit abstrahiert. Rainer Holl setzt diese Formauflösung lyrisch-dynamisch zusammen und begreift in „w-w-w-wir weben weiter“ das Leben als ein immer weiterlaufendes Weben und Zerstören.
Spätestens in „Pigs in Progress“, Kerstin Honeits skurriler Playback-Perfomance inmitten von Wildschweinen, bleiben die Mundwinkel nicht mehr länger unbewegt. Die als Doku getarnte Performance parodiert die Wortäußerungen der von Wildschweinen belästigten Anwohner und führt sie ins Absurde. Sandra Da Vinas Kurzgeschichte, die von Gentrifizierung und Wildschweinen handelt, steigert die Absurdität noch weiter: Die Wohnungen um ihre herum würden alle teurer, weil alle gerne in ihrer Nähe sein wollen. Dies sei verständlich, nur könne sie sich ihre Wohnung bald nun selber nicht mehr leisten. Deshalb brauche sie dringend einen Mitbewohner, gesucht wird daher ein Wildschwein. Denn diese seien ja höchst bemitleidenswerte Geschöpfe, aber im Grunde auch Arschlöcher.
Nach der Pause wird der Abend für einen kurzen Moment schwermütig. Eine eher seltene Gefühlsregung beim Poetry Slam. Lisa Schoyen umgarnt Cana Bilir-Meiers poetisch-melancholisches Werk „Semra Ertan“ und sorgt für gespannte Ruhe. Der nächste Film – nicht minder schwer – „Sonntag Null“ von Jochen Kuhn, zeigt uns eine kaffkaeske Szenerie, die viele Bilder im Kopf entstehen lässt: Der Ehemann im Bett, lethargisch-verzweifelt, vor dem Bett sein privater Traumdeuter, der all seine Träume aufzeichnet und drüben im anderen Zimmer seine Frau – völlig selbstverständlich mit ihrem Liebhaber. Tobi Katz greift den Aspekt des Lethargisch-im-Bett-Liegens auf und parodiert die Szenerie mit einem inneren Dialog zwischen sich und dem Wäscheberg, der endlich einmal wieder gewaschen sein möchte.
Später verrät Tobi Katz, dass er sich mit der Umsetzung diesmal sehr schwer getan habe – das merkt man seiner Interpretation aber gar nicht an. Alle sechs Filmpaten bekommen einen Film zugewiesen. Das sei immer eine große Herausforderung, aber auch interessant. Markim Pause und Sandra Da Vina sind sich darin einig, dass Filme viele Bilder und Impulse liefern, die zum Schreiben anregen, insbesondere auch dann, wenn man eine Schreibblockade hat. Während Sandra ihre Texte in der Regel meist aus einem Fragment heraus entwickelt, das sie für interessant hält, ist bei Markim meist schon sofort die gesamte Geschichte im Kopf. So auch bei dem Kurzfilm „Alles was irgendwie nützt“ von Pim Zwier.
Markim Pause setzt uns zum Schluss des Abends eine Katastrophengeschichte vor, die sich immer mehr zu steigern weiß: Organisiertes Wasser wird zu einer Riesenqualle, dem „Qualler“. Dabei handelt es sich um ein Multiindividuum, das sich aus allem noch Lebendem der Erde zusammensetzt und irgendwann in das Universum aufsteigt. Dort wird es zu einem gottähnlichen Wesen, das die auf den Mars geflüchteten Menschenkolonien nicht haben wollen, weil es doch so hässlich ist. Ob Pim Pier diese Geschichte auch nur vermutet hätte, als er seinen Film aus einer Bildsequenz von Nutztieren schuf? Wahrscheinlich nicht, aber gerade das macht „Poesie trifft Film“ so interessant. Auch Sandra Da Vina fügt an, dass es gewinnbringend sei, Bilder gezeigt zu bekommen, um aus diesen dann neue Bilder zu erzeugen. Die Verbindung der (Kunst)Formen darf also ruhig intensiviert werden.
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