Als wissenschaftliches Pendant zum Poetry Slam wurden fünf 10-minütige Ideen von Studenten aus den Bereichen der Linguistik, Sozialwissenschaft, Physik, Geschichte und Medizinphysik vorgestellt.
Dabei ging es natürlich nicht um quälend lange, universitäre Vorträge, sondern vor allem um die Vermittlung wissenschaftlicher Ideen mit viel Humor und einem gewissen Hang zur Stand-Up-Comedy. Im letzteren Bereich war mancher Referent sogar kompetenter als im wissenschaftlichen.
Die Moderation übernahm Tobias Löffler, selbst Physiker an der Universität Düsseldorf.
Also Science statt Poetry? So ganz schließen sich die beiden Konzepte nicht aus, denn noch immer geht es um Bühnenpräsenz und die Art des Vortragens. Der Ansatz ist ein löblicher, denn wichtige und einfallsreiche Forschungsthemen, Interessen oder Wissenschaften werden mit Humor spielerisch vorgetragen und regen zum Nachdenken an. Der Lerneffekt war dabei groß, denn trotz der begrenzten Zeit von 10 – nunja, durchaus auch mal 15 – Minuten konnte man den Thesen folgen.
So beschrieb der Linguist Marc Hausdorf wie mühsam es ist, die schwierigste Sprache der Welt, zu lernen: Japanisch. Und welche Hürden zu bewältigen sind, bis man vernünftig lesen und schreiben kann mittels logischer Symbole, die aufeinander aufbauen.
Nico Hoffmeister holte gleich zwei Versuchspersonen für sein soziales Experiment auf die Bühne. Vornamen-Tinder: Welchen Namen würde man bei der bekannten Dating-App sofort wegwischen. Vielleicht Olaf oder doch eher Kevin? Hier ging es vor allem um die Vornamens- und Vorurteilsforschung, die stereotype Denkmuster in unserer Gesellschaft aufdeckt. Bei vielen Namen haben wir pre-determinierte Bilder bereits im Kopf, die uns von klein auf entweder durch das soziale oder mediale Umfeld eingeflößt werden. Witzig ist auch der menschliche Einfallsreichtum bei der Namensvergebung: Solarfried vs. Atomfried; der erste Name ist erlaubt, der zweite nicht.
Physiker Paul Baylan erzählte etwas über die Flüssigkristalle innerhalb der LCD Bildschirme. In seinen Worten: Fancy.
Dominik Jordan verfolgte einen historischen Ansatz der Anthropometrie, also der historischen Entwicklung menschlicher Maße ausgehend von Jahrhundert, sozialer Klasse und Nahrungsmitteln. War die Oberschicht im Mittelalter wohlernährter, sogar übergewichtiger, weil sie sich Fleisch leisten konnte?
Abschließend stellte Paula Weber die Bedeutung der Medizinphysik zur Beseitigung von bösartigen Tumoren vor, die zielgenau Krebszellen zerstören kann mit der Hilfe von gutartigen, magnetischen Bakterien, denen sie liebevoll den Spitznamen „Magneto“ gegeben hat (aufgrund der interessanten Namen Magnetospirillum gryphiswaldense und Magnetospirillum magnetotacticum,um auch die Fachbegriffe einmal erwähnt zu haben.). Mittels Dezibelzahl des Applauses wurde schließlich der Gewinner Marc Hausdorf ermittelt.
Der Science Slam stellte den Zuschauern an diesem Abend wissenschaftliche Ansätze mit Humor, gekonnter Satire und vor allem notwendiger Selbstkritik vor. Das ist bei dieser Themenvielfalt auch notwendig, denn Wissenschaft soll kein Synonym für Langeweile sein; ein streng fachwissenschaftlicher Ansatz wäre unverständlich. So jedoch steht die Bühne jungen Leuten frei, die nicht nur ihr wissenschaftliches, sondern auch sprachliches Talent als Entertainer kreativ unter Beweis stellen, denn ein Slam ist auch immer Unterhaltung, was gerade bei komplexen Themen von enormer Wichtigkeit ist. Vielleicht sind dadurch Poetry und Science Slam näher als man glaubt.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Jenseits des männlichen Blicks
„Mother&Daughters“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 04/25
Von innerer Ruhe bis Endzeitstimmung
Die 50. Mülheimer Theatertagen – Prolog 04/25
Gegen den ewigen Zweifel
Die Ruhrfestspiele 2025 in Recklinghausen – Prolog 04/25
„Kunst hat keine Farbe, Kunst ist Kunst“
Isabelle und Fabrice Tenembot vom Verein Afrikultur über das 4. Mboa-Festival in Dortmund – Interview 04/25
„Der Text hat viel mit heute zu tun“
Regisseurin Felicitas Brucker über „Trommeln in der Nacht“ am Bochumer Schauspielhaus – Premiere 04/25
Das gefährliche Leben von Kindern
„Blindekuh mit dem Tod“ am Jungen Schauspiel in Düsseldorf – Prolog 03/25
Baum der Heilung
„Umuko“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 03/25
Gewinnen um jeden Preis?
„Alle spielen“ im Studio des Dortmunder Theaters – Prolog 03/25
Kabarett, Cochem-Style
„Zu viele Emotionen“ von Anna Piechotta in Bottrop – Bühne 03/25
Tanzen bis zum Umfallen
46. Duisburger Akzente – Festival 03/25
„Die Kraft des Buchs besteht in der Aufarbeitung“
Bettina Engelhardt inszeniert Bettina Flitners Roman „Meine Schwester“ am Essener Grillo-Theater – Premiere 03/25
„Ich liebe die Deutungsoffenheit“
Regisseur Roland Schwab über „Parsifal“ am Essener Aalto-Theater – Interview 03/25
Was wirklich in den Sternen steht
„Liv Strömquists Astrologie“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Prolog 02/25
Tanzende Seelen
„Dips“ am Opernhaus Dortmund – Tanz an der Ruhr 02/25
„Eine Frau, die förmlich im Leid implodiert“
Regisseurin Elisabeth Stöppler über „Lady Macbeth von Mzensk“ in Düsseldorf – Interview 02/25
„Die perfekte Festung ist das perfekte Gefängnis“
Ulrich Greb inszeniert Franz Kafkas „Der Bau“ am Schlosstheater Moers – Premiere 02/25
Nichts für Konfirmand:innen?
„Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ in Bochum – Prolog 02/25
Zwischen Realität und Irrsinn
„Kein Plan (Kafkas Handy)“ am Mülheimer Theater an der Ruhr – Prolog 01/25
Wenn Hören zur Qual wird
„The Listeners“ in Essen – Prolog 01/25
Licht in der Finsternis
„Brems:::Kraft“ in Köln und Mülheim a.d. Ruhr – Theater Ruhr 01/25
Wenn KI choreografiert
„Human in the loop“ am Düsseldorfer Tanzhaus NRW – Tanz an der Ruhr 01/25
„Ich war begeistert von ihren Klangwelten“
Regisseurin Anna-Sophie Mahler über Missy Mazzolis „The Listeners“ in Essen – Premiere 01/25
Wenn die Worte fehlen
„Null Zucker“ am Theater Dortmund – Prolog 01/25
Ein zeitloser Albtraum
Franz Kafkas „Der Prozess“ im Bochumer Prinz Regent Theater – Prolog 12/24
„Vergangenheit in die Zukunft übertragen“
Regisseur Benjamin Abel Meirhaeghe über „Give up die alten Geister“ in Bochum – Premiere 12/24