Es sieht nach Weltuntergang aus. Zwei Pferde stehen verlassen in einem roten Nichts. Als Folge der Waldbrände verfärbt sich auch der Himmel über Kalifornien. Die Fotografin Wally Skalij hat diesen Moment der Naturkatastrophe eingefangen, als erhabenen Beweis, welche Folgen der Klimawandel auch in den USA nach sich zieht. Forscher warnen davor bereits seit Jahren. Das Staatsoberhaupt der USA sieht es anders: Schuld für die Waldbrände trage die Forstwirtschaft, so Donald Trump.
Skalijs Foto gehört zu den knapp 150 Aufnahmen, welche die World Press Photo Foundation auszeichnete. Die prämierten Bilder werden jährlich in einer Wanderausstellung gezeigt und sind aktuell noch bis zum 16. Juni im Depot Dortmund zu sehen. Syrien, Afghanistan oder der Kongo werden in diesem fotografischen Jahresrückblick erneut als Schauplätze von Kriegswirren und Tragödien eingefangen: Familien, die in einem Krankenhaus behandelt werden oder Opfer eines Terroranschlags, wenige Minuten nach der Detonation. Wie immer sind es schreckliche und blutige Momente, die zugleich die medienethische Frage evozieren, ob diese Bilder die RezipientInnen aufrütteln oder auf Dauer eher eine Spirale der Abstumpfung befördern.
Der südafrikanische Fotograf John Wessels fängt etwa den Wahlkampf im Kongo ein – den ruhigen Moment des Urnengangs genauso wie die offenen Straßenkämpfe der politischen Lager. Alejandro Cegarra hat unter dem Titel „Ein Land zerfällt“ von März 2013 bis März 2018 die Krise in Venezuela mit seiner Kamera begleitet, angefangen bei der Staatstrauer um den verstorbenen Hugo Chávez bis hin zur Polarisierung unter seinem Nachfolger Maduro, die sich auf den Straßen entlud. Cegarra lichtete nicht nur den Protest ab. Ein Foto zeigt etwa einen fast verhungerten Obdachlosen, der auch in einer Notunterkunft keine Nahrung erhielt. Eine Folge des venezolanischen Versorgungsnotstandes und des US-Embargos. Viele Foto bezeugen allerdings nicht nur die Folgen der US-amerikanischen Außenpolitik wie in Venezuela oder im Mittleren Osten. Auffällig ist, wie viele Porträts und Reportagen die humanitären Schieflagen im Westen und damit auch in den USA vor Augen führen.
Das beginnt bereits an der Grenze zwischen den USA und Mexiko. Hier fotografierte Pedro Pardo eine Frau, wahrscheinlich Mutter des Kindes, dessen Arm sie gerade greift. Sie harrt auf einer Blechmauer, während ein Mann, vielleicht der Vater, den Jungen von unten hochhebt. John Moores „World Press Photo des Jahres“ zeigt die kleine Yanela Sanchez, die weint, während ihre Mutter von einem US-Polizisten durchsucht wird. Pieter ten Hoopen dokumentierte in seiner Reportage die Karawane von Fliehenden, die sich Richtung US-Außengrenze aufbrach.
Die Schattenseiten des Westens zeigen sich auch in intimen Momenten wie etwa in den Porträts von Jessica Dimmock, die Menschen porträtierte, die in den USA jahrelang ihre Sexualität und Identität verheimlichen mussten. Der ägyptische Fotojournalist Heba Khamis begleitete in Deutschland Geflüchtete, die keine Arbeitserlaubnis erhielten und gezwungen waren, sich zu prostituieren. Und auch eines der prominentesten Ausstellungsbilder hätte ohne die geopolitischen Verstrickungen des Westens sicher nicht seinen Reiz: Brendan Smialowski fotografierte beim Staatsbesuch von Emmanuel Macron in Washington und fing auch jenen Moment ein, in dem Trump den französischen Präsident mit seiner Pranke fast aus dem Bildrahmen zu schleppen scheint. Ein Schnapsschuss aus dem Herzen der Macht.
World Press Photo Award | bis 16.6. | Depot Dortmund | www.depotdortmund.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
36 Künstler
Grafik aus Dortmund 2024 im Dortmunder Depot
Vergessene Kapitel
„Revenants“ beim Favoriten Festival – Tanz an der Ruhr 09/22
Viel Kreatives
„Design Gipfel“ im Depot
Heilung und Zerstörung
„World Press Photo“-Ausstellung in Dortmund – Kunst 10/21
Der Wurm soll fressen
Trash Up! 5.0 im Dortmunder Depot – Spezial 11/20
Verhandlungssache
Nachtflohmarkt im Dortmunder Depot – Spezial 01/20
Wenn Datenberge erodiert sind
„Identität“ in Dortmund – Theater Ruhr 11/19
Weniger Konsum, mehr Input
#Rethink – 1. Nachhaltigkeitskonferenz in Dortmund – Spezial 09/19
Mehr als 1000 Worte
Rückblende 2018 im Dortmunder Depot – Spezial 07/19
Komprimiertes Zeitgeschehen
World Press Photo Award im Depot – das Besondere 05/19
Upcycling3
Trash Up! Festival in Dortmund – das Besondere 11/18
Die Welt im Blick
World Press Photo 18 in Dortmund – Ruhrkunst 06/18
Aus zwei Sammlungen
Das frühe 20. Jahrhundert im Kunstmuseum Mülheim – kunst & gut 11/24
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
„Mangas sind bei der jungen Leserschaft die Zukunft“
Leiter Alain Bieber über „Superheroes“ im NRW-Forum Düsseldorf – Sammlung 11/24
Der Künstler als Vermittler
Frank van Hemert in der Otmar Alt Stiftung in Hamm-Norddinker – kunst & gut 10/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
„Weibliche und globale Perspektiven einbeziehen“
Direktorin Regina Selter über „Tell these people who I am“ im Dortmunder Museum Ostwall – Sammlung 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
„Jeder Besuch ist maßgeschneidert“
Britta Peters von Urbane Künste Ruhr über die Grand Snail Tour durch das Ruhrgebiet – Sammlung 09/24
Orte mit Bedeutung
Zur Ruhrtriennale: Berlinde De Bruyckere in Bochum – kunst & gut 09/24
Denkinseln im Salzlager
Osteuropäische Utopien in Essen – Ruhrkunst 08/24
Ausgezeichnet auf Papier
Günter Drebusch-Preis 2023 in Witten – Ruhrkunst 08/24
Räume und Zeiten
Eindrucksvoll: Theresa Weber im Kunstmuseum Bochum – kunst & gut 08/24