Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.584 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

„Das Bildnis des Dorian Gray“
Foto: Birgit Hupfeld

Also sprach der Chor

30. Juni 2016

Oscar Wildes „Bildnis des Dorian Gray“ im Dortmunder Megastore – Theater Ruhr 07/16

Da sprach die Ur- zur Ich-Idee. Der Dortmunder Sprechchor kümmert sich seit 2010 liebevoll kurz vor der Sommerpause um das Theater, heute um Oscar Wilde. Das Regieteam Thorsten Bihegue und Alexander Kerlin machen aus der Masse an rund einhundert Sprechern ein choreografisches Auf-und-Ab, eine Melange aus Performance und Bildgewalt. Eine Lesung ist dieser tolle Abend beileibe nicht.

Es beginnt mit dem einfachen Beautytempel. Alle Besucher, die sich schon früh bei freier Platzwahl um die Einstiegsluke für besonders gute Plätze drängten, wurden vom Chor erst einmal verköstigt und gepflegt. Makeup, Finger, Rücken, alles dabei. Dann ging es auf die Plätze fertig los, jetzt konnte man sehen, Handtaschen und Strickjacken dienten bereits längst als Handtuchersatz auf den vorderen Reihen – armes Deutschland. Mein Tipp: erst Wellness genießen, dann letzte Reihe. Super!

Die Stellwände des SPA verändern nun die Bühne. Teilen sie, zeigen kleinere Flächen, der riesige Chor formiert sich, Oscar Wilde „at his best“. Mit gepresster Luft, heftig eingesogen als Signal, arbeitet das 17. Ensemblemitglied an seiner Präzision und die ist bewundernswert, wenn auch manche Passagen durch die Vielstimmigkeit leiden. Optisch ist die Inszenierung grandios. Im Hintergrund zitiert man auf einer riesigen Videowand durchgehend gekonnt Bill Violas Arbeit mit der Zeitdehnung, ein visueller Kontrast zu den immer gleich gekleideten Protagonisten. Blockbildung für Kostüme, die Regie zelebriert die Choreografie der Masse, mit eingeschobenen Slapstick-Metaphern und etwas (nur ein bisschen) Lokalkolorit. „Nur die Sinne können eben die Seele heilen.“ (Zitat)

Worum geht es eigentlich? Dorian Gray, ein attraktiver Jüngling der Londoner Clubs, betört Männer und Frauen, ahnt aber nicht seine Schönheit als Ursache. Der Maler Basil malt ein grandioses Portrait von Dorian, ein folgenschwerer Wunsch führt zum Fluch und damit auch zu Oscar Wildes Krimiklassiker, der die doppelte Moral des 19. Jahrhunderts süffisant seziert. Und – hören sie gut zu, so viel hat sich seit damals in unserer Gesellschaft nicht verändert, denn die Natur hat mit Logik nichts am Hut.

„Das Bildnis des Dorian Gray“ | R: T. Bihegue, A. Kerlin | Mi 5.10. 19.30 Uhr | Megastore Dortmund | 0231 502 72 22

PETER ORTMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Künstliche Intelligenz
„Der Futurologische Kongress“ in Dortmund – Theater Ruhr 07/17

Wenn die Lust das Leben bestimmt
Paolo Magellis Inszenierung von Pommerats „Wiedervereinigung der beiden Koreas“ schmaust durch Da Vincis Abendmahlbild – Auftritt 05/17

Die Netzhaut und die flinken Bilder
Kay Voges‘ Stückentwicklung „hell / ein Augenblick“ im Dortmunder Megastore – Auftritt 03/17

Menschen sind eben schlecht
Theater im Monat der Reinigung – Prolog 02/17

Die immerwährende Bürde des kleinen Mannes
Sascha Hawemann inszeniert Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ im Megastore – Auftritt 01/17

Weihnachten im Megastore
Dortmunder Schauspiel bleibt in Hörde – Theater in NRW 10/16

Die Liebe und die Steuern
Theaterauftakt Ruhr zwischen Herz und Mammon – Prolog 09/16

Die machen doch was sie wollen
Zwei Ruhrtheater im April – Prolog 03/16

Minstrel Show verkehrt herum
„Geächtet“ im Dortmunder Megastore – Theater Ruhr 03/16

Sterne, Müll und Glasfaser
Die „Liebe“ an zwei Ruhrgebiets-Theatern – Prolog 02/16

Theater Ruhr.

Hier erscheint die Aufforderung!