Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.582 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

„Geaechtet“
Foto: Birgit Hupfeld

Minstrel Show verkehrt herum

25. Februar 2016

„Geächtet“ im Dortmunder Megastore – Theater Ruhr 03/16

Amir (Carlos Lobo) sitzt schon auf dem Barhocker, wenn die Zuschauer den Saal im Dortmunder Megastore fluten. Silbrigrosa Anzug, rote Kontaktlinsen, ohne Hose, schließlich ist der Staranwalt mit indischen Wurzeln zu Hause bei starker Frau und teurem Handy. Ayad Akhtars Stück „Geächtet“ wurde 2013 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Kay Voges macht daraus nervenstarkes Poptheater mit Wahnsinnsbildern und dauerhaften surrealen Momenten. Die Rückwand ein Tableau aus stilisierter Stuckatur von Jasper Johns berühmter „White Flag“(1955), auf die ab und an auch originale Länderflaggen (US-amerikanisch, pakistanisch und israelisch) projiziert werden. Zwei weißgetünchte Paare auf ihrer Prozession in den Untergang. Küsschen. Amir will Teilhaber werden in der renommierten New Yorker Kanzlei; Emily (Bettina Lieder) seine Frau und Künstlerin will ihre erste große Ausstellung. Dabei helfen die Freunde Isaac (Frank Genser), zufälligerweise einflussreicher Kurator des Whitney-Museums, aber auch dessen Frau Jory (Merle Wasmuth), zufällig Arbeitskollegin von Amir.

Im Bühnencomic von Kay Voges haben diese auserlesenen Bewohner des Planeten alle durch Geburt erlangten Religiösitäten hinter sich gelassen. Fame, what you want is in your limo. Genau darum geht‘s, selbst wenn Amirs Neffe Abe (Merlin Sandmeyer) zum jugendlichen Salafisten wird – das reicht für ein Schmunzeln. Der Spaß hat ein Ende, wenn Emily mit tiefem Hang zu islamischem Kulturgut ihren Mann bittet, bei einem Gerichtstermin eines Imams dort vorbeizuschauen. Widerwillig lässt sich Islamhasser Amir darauf ein. Sein Pech. Seine Anwesenheit steht in der Zeitung, die Kanzlei wird misstrauisch, hinterfragt seine angegebene Vita. Tja, Pakistan ist nicht Indien, war es mal, aber jetzt nicht mehr, die Partnerschaft geht an Kollegin Jory, seine Frau betrügt ihn in Zürich mit Isaac. Und blopp, die Intellektuellen gehen an ihre Roots und sich gegenseitig an die Wäsche. Vorurteile und Hass zwischen Christen, Juden und Moslems flammen wieder auf. Die Eheringe fliegen. Und der ganz junge Robert Smith singt dazu seinen ersten Hit „Killing an Arab“ (1979). Klasse Schauspieler, klasse Regie. Chapeau.

„Geächtet (Disgraced)“ | R: Kay Voges | Mi 9.3., Sa 26.3. 19.30 Uhr | Megastore Dortmund | 0231 502 72 22

PETER ORTMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Künstliche Intelligenz
„Der Futurologische Kongress“ in Dortmund – Theater Ruhr 07/17

Wenn die Lust das Leben bestimmt
Paolo Magellis Inszenierung von Pommerats „Wiedervereinigung der beiden Koreas“ schmaust durch Da Vincis Abendmahlbild – Auftritt 05/17

Die Netzhaut und die flinken Bilder
Kay Voges‘ Stückentwicklung „hell / ein Augenblick“ im Dortmunder Megastore – Auftritt 03/17

Menschen sind eben schlecht
Theater im Monat der Reinigung – Prolog 02/17

Die immerwährende Bürde des kleinen Mannes
Sascha Hawemann inszeniert Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ im Megastore – Auftritt 01/17

Weihnachten im Megastore
Dortmunder Schauspiel bleibt in Hörde – Theater in NRW 10/16

Die Liebe und die Steuern
Theaterauftakt Ruhr zwischen Herz und Mammon – Prolog 09/16

Also sprach der Chor
Oscar Wildes „Bildnis des Dorian Gray“ im Dortmunder Megastore – Theater Ruhr 07/16

Die machen doch was sie wollen
Zwei Ruhrtheater im April – Prolog 03/16

Sterne, Müll und Glasfaser
Die „Liebe“ an zwei Ruhrgebiets-Theatern – Prolog 02/16

Theater Ruhr.

HINWEIS