Auf Einladung des Fritz Bauer Forums war ein Gast mit bewegter Vergangenheit in das Q1 gekommen: die schwedische Abgeordnete Amineh Kakabaveh. Sie wurde geboren in einem kurdischen Dorf im westiranischen Gebirge und trat im Alter von 13 Jahren den Peschmerga bei, den kurdischen Freiheitskämpfer:innen. Anfang der 90er kam sie nach Schweden, wo sie sich seither politisch und sozial engagiert. Seit 2008 sitzt sie im schwedischen Parlament, zunächst als Mitglied der Linkspartei, seit ihrem Austritt 2019 parteilos.
Gemeinsam für Menschenrechte
Zugegen war auch Martin Budich (Friedensplenum Bochum) und Maria Zemp, Friedensaktivistin und Traumatherapeutin, die regelmäßig eine Frauenorganisation in der Autonomen Republik Kurdistan im Nordirak berät. Sie alle eint der Einsatz für die Menschenrechte, vor allem für die Rechte der Frauen und Mädchen, denn diese leiden immer mehrfach unter Unterdrückung. Kakabaveh erlebte das am eigenen Leib. Auch nach ihrer Flucht nach Schweden, wo sie mit Anfang 20 das Lesen und Schreiben lernte, studierte und als Sozialarbeiterin in Stockholm arbeitete, sah sie es immer wieder, wie die an diesem Abend beschrieb: die Auswirkungen einer Kultur der Ehre, die zu Unterdrückung, Unfreiheit, Ehrenmorden und Zwangsehen führen. Dieses Engagement sei es gewesen, dass sie 2019 dazu bewegte, aus ihrer Partei auszutreten. Sie geriet mit der Partei über die Frage aneinander, wie man sich zu diesen Themen verhält. Sie sagt: „Kurdische Frauen müssen dagegen ankämpfen, denn wir wissen um den Schmerz!“ Für sie sei es wichtig, gegen das Patriarchat und religiöse und ethnische Unterdrückung zu kämpfen, sei es vonseiten des Staats, der religiösen Führer oder der eigenen Familie. Nicht nur in islamischen Ländern, sondern beispielsweise auch in Schweden sei das von großer Bedeutung.
Bildung statt Unterdrückung
So setzt sie sich für die Rechte von Frauen und Mädchen und gegen Zwangsheirat ein, aber auch für die ökonomische Gleichheit aller Schwed:innen; zudem gegen den Einfluss religiöser Extremisten auf das Bildungssystem, denn Bildung sei für sie eine Waffe. „Für mich waren die Peshmerga meine Schule“, sagt sie, „wir haben dort viel gelernt über die Rechte der Arbeiterklasse sowie der Frauen. Ich wünsche mir, dass in der Zukunft alle Kinder nur Stifte und Bücher in der Hand halten können, und keine Waffen“. Ihre Autobiografie, „Amineh. Nicht größer als eine Kalaschnikow“, kürzlich in deutscher und englischer Übersetzung in der Fritz Bauer Bibliothek erschienen, berichtet von ihrer Jugend in den kurdischen Bergen, ihrer Zeit als Peschmerga und ihrem Leben in Schweden – und davon, wie es ist, eine Überlebende zu sein: „Mein Leben begann mit Ungerechtigkeit, Hunger und Tod. Wir sind Überlebende. Wir Arbeiter:innen, wir Kurd:innen haben – unglücklicherweise – die Unterdrückung im Blut“, so Kakabaveh.
Nato, Schweden, Türkei
Das sei es, was sie zum Kampf für die Freiheit aller antreibe. Besonders jetzt, da es um den Nato-Beitritt Schwedens geht, gilt ihrer Stimme im schwedischen Parlament große Aufmerksamkeit. Von Erdogan als Terroristin denunziert, wolle sie sich nicht durch ein Veto der Türkei erpressen lassen, sagte Kakabaveh. Schweden müsse sich seiner Rolle bewusst sein als wichtiges Aufnahmeland für Kurd:innen, die vor dem Terror flüchten, der unter anderem durch die Türkei, Katar und die Arabischen Emirate finanziert werde, betonte sie.
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