Am 20. November ist Dieter Hildebrandt gestorben. Eigentlich sollte der 86jährige am 11. Januar den Bocholter Pepperoni verliehen bekommen. Daraus wird nichts mehr. Noch kann man es gar nicht richtig glauben, dass er nie nie nie wieder auf einer der zahlreichen Kleinkunstbühnen des Landes stehen wird, die er Jahr für Jahr auf seinen Tourneen beglückt hat. Und: wer sagt uns nun, wo es am meisten stinkt an den versifften Ecken und Enden der Nation?
Noch vom Krankenbett aus hatte er sich einen neuen Titel für seine geplante Abschiedstournee ausgedacht: „Kommen Sie zum Schluss Hildebrandt“ sollte das Programm heißen. Was er uns mit auf den Weg geben wollte, können wir nur ahnen, uns aber nicht ausdenken. Weil: so witzig, scharf und klug ist keiner, als dass er die Dinge gleichzeitig unterhaltsam und entlarvend auf den Punkt bringen kann. Was uns übrig bleibt? Vielleicht genau hinhören, welche Interessen hinter den Zumutungen stecken, mit denen uns die Politiker garantiert auch im kommenden Jahr eindecken werden und überlegen, was dieser begnadete Spötter dazu gesagt hätte.
Dabei kann man sich seine Reaktion einen derartigen Abgesang gut vorstellen. Hildebrandt würde garantiert antworten, dass es schließlich noch andere Künstler gäbe, die Haltung besäßen und lustig wären. HG. Butzko zum Beispiel, der im März mit dem Deutschen Kleinkunstpreis des Mainzer unterhauses in der Sparte Kabarett ausgezeichnet wird. Am 25. tritt er in seiner Heimatstadt Gelsenkirchen in der Kaue mit seinem Programm „Herrschaftszeiten“ auf. Darin wandelt er ganz klar auf Hildebrandts Spuren: ein Kabarettist, der uns die Welt und ihre Marktmechanismen erklären kann, auf dass beim Zuhörer ein Groschen nach dem andern fällt.
Die Jury des Kleinkunstpreises lobt Butzko als politischen Kabarettisten, „der mit anspruchsvoller Komik und analytischer Schärfe selbst höchst komplexe Zusammenhänge darstellt.“ Er sei ein Meister des investigativen Kabaretts, dem es gelänge, die Finanzkrise mit satirischen Mitteln auseinander zu dividieren. Da erfährt man beispielsweise etwas von der Omnipräsenz eines Mannes wie Jörg Asmussen, Hans-Dampf in allen Gassen der Geldvermehrung und des Verschleuderns, Vorkämpfer für lasche Bankenregeln und gleichzeitig Mitglied in einem Gremium, das die Banken kontrollieren soll.
Was Butzko hier exemplarisch an Vetternwirtschaft zu Tage fördert, spottet nicht nur jeder Beschreibung – es ist derart haarsträubend, dass es einem glatt die Sprache verschlagen kann. „Das Programm ist so nachhaltig, dass es mich tags drauf noch beschäftigt hat“, sagte Hildebrandt seinerzeit zu ihm. Butzko wiederum hat einen Nachruf auf sein großes Vorbild geschrieben. Hier ein Auszug: „Das erste mal, dass ich Dich gesehen habe, da war ich um die 18 Jahre alt und guckte den Scheibenwischer. Und auch wenn man sich in dem Alter für viele andere Dinge interessiert, für das, was Du uns erzählen wolltest, hattest Du meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Du bist mit Sicherheit nicht unschuldig daran, dass ich Kabarettist geworden bin, wie auch so viele meiner Kolleginnen und Kollegen.
Das erste mal, dass Du mich gesehen hast, da bist Du heimlich in mein Programm gekommen, ohne Anmeldung, ohne Vorbestellung. Listig. Lieb listig, so warst Du. Plötzlich standest Du nach der Vorstellung vor mir und ludst mich ein, mit Dir noch ein wenig zusammen zu sitzen. Mir ist das Herz in die Hose gerutscht. Und dann haben wir uns an einen Tisch gesetzt und Du hast Dich wirklich mit dem auseinander gesetzt, was ich auf der Bühne gemacht habe. Keine Floskeln, keine Phrasen, sondern Inhalte, Themen, Details, nichts war Dir entgangen. Und die ganze Zeit hattest Du dieses Funkeln in den Augen, und dieses Vergnügen in der Stimme. Vor allem, als Du dann auch noch die Namen aller Schalker Spieler der Meistermannschaft von 1937 aufgesagt hattest, das war der Moment, wo ich fast rücklings vom Stuhl gekippt bin.“
Nun gilt es, im Sinne Hildebrandts das Beste aus diesem Jahr zu machen – empfiehlt mit wehmütigen Grüßen die Ihnen stets ergebene
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