Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.583 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Das ist er, der Soundpanzer von Nik
Foto: Andrea Eichardt

Aufmarsch der Maschinen

30. April 2015

„Das mechanische Corps“ im HMKV Dortmund – Kunstwandel 05/15

Eigentlich ist die Geräuschkulisse in einem Museum selten stilbildend. Dass sich jetzt auch noch gleich ein Soundpanzer in den Eingeweiden des Dortmunder U versteckt hielt, das lag am „mechanischen Corps“, das die neue Ausstellung des Hartware MedienKunstVereins bespielt oder besser gesagt bedampft. Der Monster-Soundpanzer von Nik Nowak aus Berlin durfte auch nur zur Eröffnung in der Tiefgarage eingesetzt werden, permanente 4000 Watt könnten ja die alten Geister des ehemaligen Gär- und Lagerkellers der Brauerei aus dem Jenseits befreien und die hatten ja schon ihre Ausstellung im HMKV.

Jetzt geht es also um die Spuren von Jules Verne, um Steampunker und um dieses immer mehr um sich greifende Gefühl, dass die Geschwindigkeiten des heutigen Lebens irgendwie nicht mehr zu den biologischen Mensch-Einheiten dieses Planeten passen. Warum ausgerechnet das Zeitalter der Industrialisierung im ausgehenden 19. Jahrhundert heute wieder in Mode gerät, das versucht die Ausstellung, kuratiert von Peter Lang (†) und Christoph Tannert, zu ergründen und dem vielschichtigen Phänomen nachzuspüren. O.k., ich gebe es ja zu, mich faszinierte natürlich erst einmal der Nautilus Gameboy (2014) von Wendy Esmeralda Castillo – die Locus-Solus-Experimentieranordnung habe ich als Tetris-Jünger zwar nicht ganz verstanden, aber die Vorstellung, dass Käpt‘n Nemo da irgendwo unter Wasser an den goldenen Rädchen fummelt und Super Mario ins Rennen schickt, das hat schon was. Es schlägt irgendwie nicht nur eine Brücke in die Welt vor den 3D-Echtzeit-Wargames, visuell zeigt es auch die Liebe zum unikaten Detail eines alten Handwerkers.

Während ich noch staune, klickt es unaufhörlich. Die Ursache ist nicht so einfach zu finden in den Räumlichkeiten, Uhren sind nicht zu entdecken. Dafür eine einfache Leiste und ein Spiegel, hier kommt das Geräusch her. Die Polin Alicja Kwade beschäftigt sich in „Singularität“ (2009/14) mit der Zeit an sich, die vergeht, selbst wenn den Uhren die Zeiger entwendet wurden. Ansonsten scheint die Zeit eher stehengeblieben zu sein. Andreas Gerth aus Berlin hat sie in Tönen generiert, mit Steuerspannungen, die sich gegenseitig modulieren, ein Verfahren, das ein halbes Jahrhundert alt ist. Völlig aus der Zeit gefallen scheint Roland Fuhrmanns „Rudi 1“ (2002). Ein goldblitzendes Gebilde aus dem zahlreiche Paddel starren. Ein Versuchsmodell zur Ermittlung der Effizienz des Ruderantriebs für Luftschiffe nennt der Künstler das hängende Gebilde. Ich überlege, was Jules Verne dazu wohl gesagt hätte. Bis zum Mars vielleicht – mit Paddeln? Eigentlich eine schöne Idee. Dermaßen skurril geht es immer weiter, retro-futuristische Maschinen wohin man schaut, eine alte Schreibmaschine dient als Keyboard, ein alter U-Boot-Dieselmotor erzeugt Stimmen und Geräusche, das Kronos-Gerät von Roland Boden fährt im Abwasserkanal. Die abgefahrenste Idee zu Schluss: Michael Sailstorfer bohrt mit der Freiheitsstatue Löcher in die tragenden Säulen des Dortmunder U. Mitten in der Ausstellung. „Freedom Fries am Arbeitsplatz“ (2014) heißt das kleine Maschinchen. In Paris soll es eine große geben. Was bohrt denn die wohl an?

„Das mechanische Corps“ | bis 12.7. | HMKV im Dortmunder U | 0231 496 64 20

PETER ORTMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Heretic

Lesen Sie dazu auch:

Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24

Aus dem Leben
Silke Schönfeld im Dortmunder HMKV

Utopie und Verwüstung
„The Paradise Machine“ in Dortmund – Ruhrkunst 04/24

„KI erlaubt uns einen Einblick in ein kollektives Unbewusstes“
Kuratorin Inke Arns über Niklas Goldbachs „The Paradise Machine“ im Dortmunder HMKV – Sammlung 03/24

Was uns die Algen singen
Stolzer & Rütten im Dortmunder U – Ruhrkunst 05/23

„Bakterien passen sich schneller an neue Umgebungssitationen an“
Kuratorin Inke Arns über die neue Ausstellung des HMKV im Dortmunder U – Sammlung 03/23

Keine Angst vor dem Mähroboter
„House of Mirrors“ im HMKV im Dortmunder U – Kunstwandel 05/22

Transformation der Moderne
„Technoschamanismus“ im Dortmunder U – Kunstwandel 12/21

Multimedialer Remix der Postmoderne
Tom McCarthys Ode an „The Pow(d)er of I Am Klick Klick Klick Klick and a very very bad bad musical“ im HMKV Dortmund – Kunst 07/21

Manchmal mussten die IMs selber ran
„Artists & Agents“ im Dortmunder HMKV – Kunstwandel 02/20

HAL 9000 ist eigentlich weiblich
Wilde „Computer Grrrls“ im Dortmunder HMKV – Kunstwandel 02/19

„Die Digitalisierung verstärkt die Vorurteile“
Inke Arns über ihre Ausstellung „Computer Grrrls“ im HMKV – Sammlung 11/18

Kunst.

HINWEIS