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Darsha Hewitt, „A Sideman 5000 Adventure“, Video 2015
Foto: © Darsha Hewitt

„Die Digitalisierung verstärkt die Vorurteile“

25. Oktober 2018

Inke Arns über ihre Ausstellung „Computer Grrrls“ im HMKV – Sammlung 11/18

trailer: Frau Arns, sind die Guerilla Girls jetzt im Cyber-Aktivismus angekommen?
Inke Arns: Das sind sie schon seit Anbeginn des Internets.

Wäre alles anders gekommen, wenn Kubricks HAL 9000 1968 eine weibliche Stimme gehabt hätte?
Ehrlich gesagt, wenn er eine weibliche Stimme gehabt hätte, hätten es alle wieder auf die Frauen geschoben. Heutzutage sind ja fast alle synthetischen Stimmen weiblich: Siri, Alexa, haben alle weibliche Namen – das sind aber auch alles Assistentinnen. Ich vermute, deswegen hatte 1968 bei Kubrick dieser HAL9000, was ja auch ein Kürzel für IBM ist, eine männliche Stimme, da er in diesem Sinne kein Assistent war.

Wie kam es eigentlich, dass sich die Informatik seit den 1960er Jahren zu einem männlich dominierten Gebiet entwickelt hat?
Die Entwicklung ist sehr interessant. Das hat mit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu tun. Die Symbiose von Frauen - nicht unbedingt Technik - und Computern war eigentlich immer eine sehr enge. Das ist mir während der Vorbereitung für diese Ausstellung viel deutlicher geworden. Frauen waren bei der Entwicklung neuer Technologien immer beteiligt. Und während des Zweiten Weltkriegs waren auch wieder die Frauen quasi an vorderster Front der Technologieentwicklung, weil die Männer an der anderen Front im Krieg waren. Frauen wurden da massiv eingesetzt – zum ersten Mal übrigens auch schwarze Frauen, „Women of Colour“, vom Verteidigungsministerium der USA, als Ballistikerinnen, die Kurven berechnet haben etc. Die Vermännlichung dieses Berufs, die dann in den 1960er Jahren einsetzte, hat vielleicht auch damit zu tun, dass die Männer nach dem Krieg in das normale Leben und in die lukrativen Berufe zurückströmten. 1985 wird der neueingeführte Personal Computer in Werbekampagnen auch als „boys toy vermarktet. Ab diesem Zeitpunkt nehmen die Zahlen von weiblichen Informatikstudierenden rapide ab. Dass es diese zwei massiven Einbrüche gibt, habe ich auch erst durch die Recherche gelernt. Wenn man sich heute fragt, warum so wenige Frauen in den MINT-Fächern oder in der Informatik sind, dann muss man in die Geschichte schauen.

Inke Arns, Dr. phil.
Foto: Anne Berger
Zur Person:
Inke Arns, Dr. phil., freie Kuratorin mit den Schwerpunkten Medienkunst und -theorie, Netzkulturen, Osteuropa ist seit 2005 künstlerische Leiterin des Hartware MedienKunstVereins Dortmund. Nach dem Studium der Slawistik, Osteuropastudien, Politikwissenschaften und Kunstgeschichte promovierte sie mit einer Dissertation zum Paradigmenwechsel der Rezeption der historischen Avantgarde und des Utopie-Begriffs.

Eine Timeline dokumentiert das alles in der Ausstellung, aber es bleibt doch eigentlich dabei – ohne Ada Lovelace kein YouTube-Diktatur, oder?
Ja, Ada Lovelace war die erste Programmiererin, wenn man das so sagen kann. Sie hat den ersten Algorithmus geschrieben. Aber die Frage macht wieder denselben Fehler: Männer schieben immer alle bösen, alle negativen Sachen den Frauen in die Schuhe. Sagen wir es mal so: Kein Internet ohne Ada Lovelace, kein Computer, keine in dem Sinne technologische Entwicklung. Kein WIFI, kein Wireless Network ohne Hedy Lamarr – und die hat das ursprünglich entwickelt, um Torpedo-Signale abhörsicher zu machen. Aber da waren auch viele andere Frauen, die öffentlich nicht so in Erscheinung getreten sind.

Manche der Arbeiten in der Ausstellung sind dennoch von stereotypen femininen Accessoires durchzogen.
Die Arbeiten widmen sich eher aktuellen Fragestellungen, die in Bezug auf Technologie oder auch Digitalisierung auftreten. Einige Arbeiten beschäftigen sich aber auch mit der Frage nach dem Körper, wie sich digitale Strukturen oder Medien auf Körper auswirken, insofern es um Optimierungs- oder auch Standardisierungstendenzen geht. Ein ganz wichtiger Begriff ist hier der des algorithmischen Vorurteils, oder des Gender Bias, der auch außerhalb von Algorithmen vorkommt, der aber nochmal durch die digitalen Tools verstärkt wird. Der ist auch deshalb so perfide, weil man ihn da nicht vermutet.

Und die ferne Zukunft? KI?
Das ist auch ein wichtiges Thema. Manche reden ja auch von „artificial super intelligence“. Es gibt einige Künstlerinnen, die sich mit dem Lernen bei Maschinen, „machine learning“, und Künstlicher Intelligenz auseinandersetzen. Da ist interessant, dass sich in Künstlicher Intelligenz viele, auch unausgesprochene, Vorurteile niederschlagen, weil eben in der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz vor allem Männer aktiv sind. Die gestalten diese Technologien dann mit ihren oft auch unbewussten Annahmen, ich will es gar nicht Vorurteile nennen. Aber dass man sich selbst als Norm setzt, kann ein Problem sein. Ich habe das eben mit einem Kollegen diskutiert, den Gender Bias findet man ganz oft auch in der Medizin, wo beispielsweise Medikamente und ihre Dosierung für einen „männlichen Normkörper“ entwickelt werden.

Und wie gewinnen wir Autonomie von Technologie wieder zurück?
Man muss sich erstmal bewusst werden, was hier eigentlich mit uns passiert. Dann werden durchaus Strategien entwickelt, die in sehr unterschiedliche Richtungen gehen und die in erster Linie ein anderes Verständnis von Technologie formulieren.

Computer Grrrls | 27.10. - 24.2. | HMKV, Dortmunder U | 02314 96 64 20

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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