Die riesige Papierskulptur „Transformella“ von J.P. Raether ist der logistische Ausgangs- und Mittelpunkt der Ausstellung „Technoschamanismus“ im Dortmunder Hartware MedienKunstVerein (HMKV) – und in Gedanken wird der Besucher immer wieder zu ihr und ihren weiteren hysterisch-subversiven Drag-Charakteren zurückkehren. Zu monströs ist das theoretische Gebilde hinter den mit Pappmaché-Zöpfen und IKEA-Devotionalien ausgestatteten Kleid-Fragmenten und den bereit liegenden VR-Brillen. Gleichzeitig werden die Besucher der Ausstellung Zeugen eines erneuten Forkings (Abspaltung), der Gabelung der Lebenslinien und der Entstehung von Transformella cinis, einer neuen fiktionalen Identität des Künstlers, bei der es um den Kohlenstoffkreislauf als zentralem Bestandteil allen Lebens geht.
Greifbarer sind da schon die Zeichnungen interplanetarischer Weltraumhabitate von Suzanne Treister oder Tabita Rezaires Videoinstallation „Mamelles Ancestrales“( 2019). Im Gegensatz zum aktuellen Wahn, mit metallischen Kapseln wenigstens ein paar Stunden im „Weltraum“ zu verbringen oder Eroberungen diverser Himmelskörper zu erträumen, erforscht Rezaire erst einmal die Versuche unserer Vorfahren, mit den himmlischen Gefilden in Verbindung zu treten. Dafür hat sie vier megalithischen Stätten besucht: die Steinkreise von Sine Ngayene und Wanar im Senegal sowie Wassu und Kerbatch in Gambia. Auch das ist Teil des neuen, technischen Schamanismus, der versucht, Transformation in die westliche Moderne zu tragen.
Entstanden ist er um 2003 im Kontext der Free Software- und DIY-Bewegungen in Brasilien. Auch diese Ausstellung ist Teil des Jubiläumsprogramms „beuys 2021. 100 jahre joseph beuys“ in NRW, zeigt deshalb die Videodokumentation von Beuys‘ Aktion „I like America and America likes Me“ (23. - 25. Mai 1974) in René Blocks Galerie in New York. Das historische Zusammentreffen des Meisters mit einem Coyoten Little John, dem mythischen Totemtier der Ureinwohner Nordamerikas, soll schamanische Dimensionen gehabt haben, der Künstler wedelte mit einem Hirtenstab, der Coyote mit dem Schwanz und urinierte auf Beuys‘ Lagerstätte. Wie das eine Referenz beispielsweise zu Lucile Olympe Hautes „Cyberwitches Ritual“ (Digital photography, 2017) darstellen soll, erschließt sich nicht, soll es aber wohl auch nicht.
Technoschamanismus | bis 6.3.2022 | HMKV Dortmund | 0231 13 73 21 55
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Aus dem Leben
Silke Schönfeld im Dortmunder HMKV
Utopie und Verwüstung
„The Paradise Machine“ in Dortmund – Ruhrkunst 04/24
„KI erlaubt uns einen Einblick in ein kollektives Unbewusstes“
Kuratorin Inke Arns über Niklas Goldbachs „The Paradise Machine“ im Dortmunder HMKV – Sammlung 03/24
Was uns die Algen singen
Stolzer & Rütten im Dortmunder U – Ruhrkunst 05/23
„Bakterien passen sich schneller an neue Umgebungssitationen an“
Kuratorin Inke Arns über die neue Ausstellung des HMKV im Dortmunder U – Sammlung 03/23
Keine Angst vor dem Mähroboter
„House of Mirrors“ im HMKV im Dortmunder U – Kunstwandel 05/22
Manchmal mussten die IMs selber ran
„Artists & Agents“ im Dortmunder HMKV – Kunstwandel 02/20
HAL 9000 ist eigentlich weiblich
Wilde „Computer Grrrls“ im Dortmunder HMKV – Kunstwandel 02/19
„Die Digitalisierung verstärkt die Vorurteile“
Inke Arns über ihre Ausstellung „Computer Grrrls“ im HMKV – Sammlung 11/18
Geheime Überwachung
Korpys/Löffler im HMKV in Dortmund – Ruhrkunst 08/18
Glaube verwässert Wissen
Forensik von Bildern im Dortmunder U – Kunstwandel 03/18
„Wichtig ist für ihn die Ästhetik der Kabel“
Kuratorin Felicity Korn über „Echo“ von Elias Sime im Düsseldorfer Kunstpalast – Sammlung 01/25
Die Dinge ohne uns
Alona Rodeh im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 12/24
Strich für Strich
„Zeichnung: Idee – Geste – Raum“ in Bochum – Ruhrkunst 12/24
Im Einklang mit der Natur
„Henry Moore – For Duisburg“ im Duisburger Lehmbruck Museum – kunst & gut 12/24
„Kein Staub, aber ganz viel Frisches“
Leiter Nico Anklam über die Ausstellung zu 75 Jahren Kunsthalle Recklinghausen – Sammlung 12/24
Aus zwei Sammlungen
Das frühe 20. Jahrhundert im Kunstmuseum Mülheim – kunst & gut 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
„Mangas sind bei der jungen Leserschaft die Zukunft“
Leiter Alain Bieber über „Superheroes“ im NRW-Forum Düsseldorf – Sammlung 11/24
Der Künstler als Vermittler
Frank van Hemert in der Otmar Alt Stiftung in Hamm-Norddinker – kunst & gut 10/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
„Weibliche und globale Perspektiven einbeziehen“
Direktorin Regina Selter über „Tell these people who I am“ im Dortmunder Museum Ostwall – Sammlung 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24