Bedeutend und reich soll die antike Landschaft Lydia gewesen sein. Dem Mythos nach befreite sich König Midas von dem Fluch des Goldes in dem lydischen Fluss Paktolos und verhalf so dem Landstrich zu Macht und Reichtum. Weniger von Mythos umsponnen, aber dennoch bedeutend als Symbol für die deutsche Filmlandschaft ist Lüdia aus Lünen, der mit 10.000 Euro dotierte Hauptpreis des Kinofestes. Die Nachbildung der Blumenfrau des Lünener Marktplatzes wird seit 1997 dem besten deutschen Nachwuchsregisseur überreicht. 1997 entschied das Publikum für die Satire „Deckname Dennis“, die einen bitterbösen Blick auf die deutsche Mentalität warf. Filme wie der traurig schöne 70plus-Heist-Movie „Jetzt oder nie – Zeit ist Geld“ und die deutsch-türkische Komödie „Evet, ich will“ folgten auf das Siegertreppchen und bewiesen die Vielfältigkeit und die Dynamik in der oft als öde verschrienen deutschen Filmlandschaft. Für eine fruchtbare Landschaft stehen auch die weiteren Preise des Kinofestes für Kurzfilm, Filmmusik, Filmtitel und Kinderfilm. Zum Kinofest Lünen zu fahren, bedeutet neben dem Genuss anspruchsvoller Filme auch, die Köpfe hinter und in den Filmen hautnah zu sehen. Prominenz, Premieren, Preise – was will man von einem Festival mehr erwarten?
Im November lädt Lünen zum 22. Mal in die Säle der Cineworld ein und präsentiert ein Programm, das sich besonders durch die Darstellung intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen und innerer Konflikte auszeichnet. Den Eröffnungsfilm am 10.11. übernimmt ein wahrer Klassiker: Kaum ein Kinderbuch wurde so oft verfilmt wie Mark Twains „Tom Sawyer“, diesmal mit Heike Makatsch und Benno Fürmann. In den darauffolgenden drei Tagen erwarten den Zuschauer zehn innovative Werke junger Filmemacher im Programm Lüdia. Mit seinem Debüt „Kriegerin“ verlagert Regisseur David Wendt nicht nur einfach „American History X“ nach Deutschland, es ist vielmehr eine dichte Dokumentation über den langsamen und mühsamen Weg aus der rechtsradikalen Gewalt. „Der Brand“ mit Wotan Wilke Möhring beschreibt den beschwerlichen Weg der Gerechtigkeit, den die 35jährige Judith nach ihrer Vergewaltigung antritt, um selber wieder zu gesunden. Auch Carsten Ungers Psychothriller „Bastard“ mit Martina Gedeck in der Rolle der Polizeipsychologin greift Gerechtigkeitsempfinden und von tiefer innerer Verletzung getriebene Rache auf. Die Jung-Schauspieler Markus Krojer und Antonia Lingemann überzeugen als Jugendliche, die sich von der Welt der Erwachsenen belogen und zurückgestoßen sehen. Neben Düsterem und Ernstem hat auch Komisch-Skurriles seinen Platz in Lünen: In „Dicke Mädchen“ macht sich Sohn Sven mit Pfleger Daniel auf die Suche nach seiner demenzkranken Mutter, die in einem Moment der Unachtsamkeit ausgebüxt ist. Doch am Ende der Suche steht nicht nur die Mutter, sondern auch die leise Entwicklung der Liebe zwischen Sven und dem Familienvater Daniel. Abgerundet wird das Potpourri des Deutschen Films mit einem abwechslungsreichen Kurzfilmprogramm, Portraits wie „Gerhard Richter: Painting“, Lünen-Premieren wie Tykwers „Drei“ und der Huldigung des Meisters des feinen Humors Loriot mit „Pappa ante Portas“.
Die deutsche Filmlandschaft mit der reichen Landschaft Lydiazu vergleichen, mag vermessen sein. Aber öde ist sie sicherlich nicht. Um es mit den Worten Loriots auszudrücken: Letzten Endes, wer wollte das bestreiten!
22. Kinofest Lünen I 10.-13.11. I Cineworld Lünen
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Eine Insel für die Resozialisierung
28. Kinofest Lünen mit den Gewinnerfilmen am 29.11. in der Cineworld Lünen – Foyer 11/17
Fair Play im Gefängnis
Kultur@Gefängnis zeigt die Dokumentation „Fighter“ in der JVA Werl – Foyer 11/17
Politik und Unterhaltung
28. Kinofest Lünen ab 23. November in der Cineworld – Festival 11/17
Festival im Festival
Kinofest Lünen zeigt Gewinnerfilme auf Berlinale – Festival 02/17
Preisgekrönter Film sucht Kino
Rückblick auf das 27. Kinofest Lünen – Festival 12/16
And the Lüdia goes to...
27. Kinofest Lünen vom 10. bis zum 13.11. in der Cineworld – Festival 11/16
Metropolregion Kino
Lichtspieltheater, die Kultur schaffen – Vorspann 11/16
Auf ein Neues: Lünen wieder Filmstadt
27. Kinofest Lünen vom 10. bis 13.11. – Festival 11/16
„Der Filmtitel-Preis ist eine sensationelle Idee“
Wieder viele Prämierungen beim Kinofest Lünen 2015 – 15 Jahre Berndt-Media-Preis – Festival 01/16
Von Wald und Wahnsinn
26. Kinofest Lünen zeigt, was deutsches Kino kann – Foyer 12/15
„4 Könige“ erobern die Herzen
Theresa von Eltz' Spielfilmdebüt begeistert beim 26. Kinofest Lünen – Festival 11/15
Bukowski im Pott
Auftaktlesung des Kinofests Lünen mit Martin Brambach und Christine Sommer – Festival 11/15
Arbeitskampf und Dekolonisation
Das IFFF 2025 in Dortmund und Köln – Festival 04/25
Ungeschönt aufs Leben blicken
32. blicke-Filmfestival in Bochums Endstation Kino – Film 01/25
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24
Sichtbarkeit vor und hinter der Leinwand
Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
Filmgeschichten, die das Leben schreibt
Neue Dokumentarfilme aus einer verrückten Welt – Festival 01/24
Grenzen und Gewalt
31. Filmfestival blicke in Bochum – Festival 12/23
Humanoide Blumen
„Speaking Flowers“ beim Filmfestival blicke – Festival 12/23
Hattingen, Tian’anmen, Weltall
Weitblick-Preis für „Hochofen II“ beim Filmfestival blicke – Festival 12/23
Kino galore
European Arthouse Cinema Day 2023 – Festival 11/23
Komplizinnenschaft
Das IFFF bietet einen Blick auf feministische Solidarität – Festival 04/23
„Man muss sich über alte Zöpfe Gedanken machen“
Clemens Richert zur 44. Auflage der Duisburger Akzente – Festival 03/23
„Die Sichtung ist das Highlight!“
Katharina Schröder zum 30. Jubiläum des blicke Filmfestivals – Festival 01/23