Es gibt nur ganz wenige Künstler, die die inflationär gebrauchte Bezeichnung Kult verdienen. Zu diesen seltenen Exemplaren gehört Fil. Der als Philip Tägert in Berlin geborene und dort im Märkischen Viertel aufgewachsene Comedian, Comic-Zeichner, Ex-Punk, Handpuppenspieler, Sänger und Songwriter entzieht sich den üblichen Kriterien des Showbiz. „Die große Fil & Sharkey Show“ heißt das Programm, in dessen Verlauf er (am 26. April im Cabaret Queue in Dortmund) abgedroschene Versatzstücke des alltäglichen Sprachgebrauchs durch den Wolf dreht – und zwar so, dass sie in ihrer ganzen Hohlheit überhaupt erst sichtbar werden.
Dabei erzählt er gerne von einem Charitykonzert in Berlin-Marzahn, das auf einer platt getretenen Wiese stattgefunden habe, macht aus Mozart Marzart und errät nebenbei, was in den Köpfen der Zuschauer vor sich geht. Zwischendurch singt er Songs vom Nebeneinanderliegen, baut absichtlich kleine Fehler ins Alphabet („sonst zürnt Gott!“) und berichtet von Buchverkäuferinnen, die sich cooler vorkommen, als sie sind. Kurz: Fil wickelt seine Zuschauer mit der Spiellust eines Kindes und der Unerbittlichkeit eines Wahrheitssuchenden um den Finger. Natürlich hat er den Handpuppenhai Sharkey im Gepäck – und sicher auch die schöne „Fabel vom Blumengeburtstag“.
Aus Bayern angereist kommt ein Mann, der weder so aussieht noch so spricht: Max Uthoff, der Kleinkunstpreisträger des Mainzer Unterhauses 2012 in der Sparte Kabarett, ist so ziemlich das Beste, was einem passieren kann, wenn man mit politisch unkorrekten, aber ungemein unterhaltsamen Ausführungen über die Besonderheiten der krisengeschüttelten Nationen des Euro-Pakts und den Segnungen der modernen Technik konfrontiert werden will. Allen voran die Facebook-Gemeinde, in der weltweit rund sieben Millionen Menschen nach Wahrnehmung gieren. „Nirgendwo erfahren Sie früher, dass der sympathische Rentner über Ihnen seit zwei Wochen tot ist“, konstatiert Uthoff – und trifft damit pointiert ins Schwarze. Dass er als Bayer ein entspanntes Verhältnis zur Überwachung hat, ist die eine Seite seiner Herkunft, die andere, dass Gott sowieso alles sieht – und vielleicht doch nicht so vollkommen ist, wie mancher glaubt. „Sicher hat Jesus auch einen Makel und spricht sächsisch“, gibt er zu bedenken. Nicht einmal Goethe sei vollkommen gewesen, er habe Zeit seines Lebens unter Flugangst gelitten.
Uthoff sprengt die Grenzen des politischen Kabaretts und geht den Widersprüchen auf den Grund: Begriffen wie Verkaufsphilosophie oder rechtes Gedankengut, liberaler Hoffnungsträger, sicheres Endlager oder freiwillige Selbstverpflichtung. Er kann genau erklären, wo sich die Mitte der Gesellschaft befindet, outet sich als Feminist und vergleicht Familienministerin Christina Schröder mit dem Einbruch der naiven Malerei in ein deutsches Sittengemälde. Der Mann weiß, wovon er spricht, wenn er Juristen als nützliche Idioten des Patriarchats bezeichnet, immerhin hat er auch das Zweite Staatsexamen der Rechtswissenschaft in der Tasche – ein Studium, bei dem man lerne, Urteile über Dinge zu fällen, von denen man kaum etwas versteht. Sicher ist er sich aber in einer Sache: „Wenn wir Männer gebären müssten, dann gäbe es nach zwei Wochen eine Rechtsverordnung, die das natürliche Gebären verbieten würde.“ Bevor er zur Grabrede für die FDP anhebt, das Auffangbecken für moralisch Halbseidene und Philipp Rösler als den „Monchhichi der Partei“ bezeichnet, bekommen die Grünen seine geballte Enttäuschung zu spüren. Den Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann nennt er ein ideologisches Kirschkernkissen. Der Rest der Partei glaube offenbar, dass Soldaten aus nachwachsenden Gehölzen bestehen. Statt Mao-Anzügen trage man heutzutage Nieder-Tracht. Kurz: Uthoff kommt in seinem Programm „Oben bleiben“ seinem Bestreben, das kapitalistische System mit den Mitteln der Satire aus den Angeln zu heben, ein gutes Stück näher – überzeugen Sie sich selbst. Gelegenheit dazu ist am 18. April im Ebertbad in Oberhausen. Also nix wie hin, empfiehlt Ihre stets über Tage lebende
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