Eigentlich ist Olaf Kröck gerne Intendant. Seit dieser Spielzeit leitet er interimistisch das Bochumer Schauspielhaus, bis Johan Simons 2018 den Staffelstab übernimmt. Kröck selbst tritt dann die Leitung der Ruhrfestspiele an. Das ist der ungleich schwierigere Job. Denn Vorgänger Frank Hoffmann hat einen Rekord nach dem nächsten aufgestellt: die meisten Zuschauer, die meisten Vorstellungen, die meisten Genres, die meisten Spielstätten. Man kann es nur schlechter machen. Oder anders.
„Recklinghausen muss Vielfalt bieten, die sich traut, populär und in die Breite zu agieren“, sagt Olaf Kröck allzu erwartbar. Schiebt aber dann listig nach, dass die Ruhrfestspiele auch einen hohen künstlerischen Anspruch verfolgen müssen. Breit und hoch zugleich also. Der 46-Jährige will keineswegs populäre Programme wie Fringe oder Kabarett beschneiden. Sie sollen aber stärker ins Festival integriert werden. So sieht er durchaus Berührungspunkte zwischen einem Programm von Hagen Rether und zukünftigen Schwerpunktsetzungen wie globaler Gerechtigkeit, Arbeitsverhältnisse, Migration, Bildungsnotstand oder Kinderarmut. Der Regisseur Milo Rau, zukünftiger Leiter des NT Gent, stelle die richtigen Fragen, so Olaf Kröck. Der Tanz solle darüber hinaus mehr Gewicht erhalten. Das könnte bereits der erste Programmhinweis sein. Beides deutet auf eine stärkere Internationalisierung des Programms als zuletzt. Immer wieder verweist Kröck im Gespräch auf die Mischung des Programms. Er möchte an der Zusammenarbeit mit den deutschen Stadttheatern festhalten, will aber „ästhetisch breiter denken“. Gelingen soll das durch die Zusammenarbeit mit anderen Festivals, mit ausländischen Bühnen und der Entwicklung eigener Kreationen für Recklinghausen. Für Kröck spielen die Ruhrfestspiele in Zukunft in einer Liga mit den Wiener Festwochen und dem Festival in Avignon. Die Gefahr, dass Recklinghausen nur zu einer weiteren Durchreisestation des internationalen Festivalzirkus wie zum Teil die Ruhrtriennale werde, sieht er allerdings nicht.
Räumlich will er nach Jahren der Expansion das Rad wieder ein wenig zurückdrehen. Mehr Konzentration statt Diversifizierung. Dafür das Potential des Festspielhauses samt dem umgebenden Park stärker genutzt und auch im öffentlichen Raum gespielt werden. Die Spielstätte Halle Ludwig soll zwar beibehalten werden, aber mit anderem, mehr raumbezogenem Programmschwerpunkt als das bisherige Uraufführungsfestival. Kein Gespräch über die Ruhrfestspiele ohne Zeche: 2018 schließt die letzte im Ruhrgebiet. Für die Arbeitsrealität der meisten Ruhris sei das nicht mehr relevant, so Kröck ehrlich, „für die Kollektividentität dagegen ist das ein Schnitt ins Herz“. Er ist zwar in Viersen geboren, also ein (Theater-)Schaf vom Niederrhein, hat aber 12 Jahre als Dramaturg an den Theatern in Essen und Bochum gearbeitet. Er weiß inzwischen, was Ruhrgebiet heißt.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Gegen Remigrationspläne
Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen – Was danach geschah“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 05/24
„Zu uns gehört das Lernen von den Alten“
Intendant Olaf Kröck über die Ruhrfestspiele 2024 – Premiere 04/24
Ein Baum im Herzen
„Eschenliebe“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 03/24
Siehst du, das ist das Leben
„Der erste fiese Typ“ in Bochum – Theater Ruhr 06/23
Gaga goes Recklinghausen
„Soul Chain“ bei den Ruhrfestspielen – Tanz an der Ruhr 05/23
In stürmischen Höhen
Mithu Sanyal bei den Ruhrfestspielen – Literatur 04/23
„Ich bin nicht außer mir vor Wut, im Gegenteil“
Olaf Kröck über die Recklinghäuser Ruhrfestspiele und Theater in Kriegszeiten – Premiere 04/23
Mit Psyche in die Unterwelt
„Underworlds. A Gateway Experience“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 01/23
Tonight's the Night
Musikalische Silvester an den Theatern im Ruhrgebiet – Prolog 12/22
Zeichenhafte Reduktion
NRW-Kunstpreis an Bühnenbildner Johannes Schütz verliehen – Theater in NRW 12/22
Das Kollektiv als Opfer
„Danza Contemporanea de Cuba“ in Bochum – Tanz an der Ruhr 12/22
„Es geht um eine intergenerationelle Amnesie“
Vincent Rietveld über „Bus nach Dachau“ am Schauspielhaus Bochum – Premiere 11/22
Endspurt für Mammut-Projekt
Beethovenhalle kurz vor der Fertigstellung – Theater in NRW 11/24
Jünger und weiblicher
Neue Leitungsstruktur am Mülheimer Theater an der Ruhr – Theater in NRW 10/24
Überleben, um zu sterben
Bund will bei der Freien Szene kürzen – Theater in NRW 09/24
Bessere Bezahlung für freie Kunst
NRW führt Honoraruntergrenzen ein – Theater in NRW 08/24
Mit allen Wassern gewaschen
Franziska Werner wird neue Leiterin des Festivals Impulse – Theater in NRW 07/24
„Zero Waste“ am Theater
Das Theater Oberhausen nimmt teil am Projekt Greenstage – Theater in NRW 06/24
Demokratie schützen
Das Bündnis Die Vielen ruft zu neuen Aktionen auf – Theater in NRW 05/24
Theatrales Kleinod
Neues Intendanten-Duo am Schlosstheater Moers ab 2025 – Theater in NRW 04/24
Neue Arbeitszeitregelungen
Theater und Gewerkschaften verhandeln Tarifvertrag – Theater in NRW 03/24
„Der Tod ist immer theatral“
Theatermacher Rolf Dennemann ist gestorben – Theater in NRW 02/24
Standbein und Spielbein
Pinar Karabulut und Rafael Sanchez gehen nach Zürich – Theater in NRW 01/24
Das diffamierende Drittel
Einkommensunterschiede in der Kultur – Theater in NRW 12/23
Neues Publikum
Land NRW verstetigt das Förderprogramm Neue Wege – Theater in NRW 11/23