Er kann brüllen, dass es einem die Sprache verschlägt: Holger Müller alias Ausbilder Schmidt zieht seit zehn Jahren im olivgrünen Tarnanzug und rotem Barett durch die Lande und macht sein Publikum zu Rekruten, denen er deutsche Disziplin vorexerziert. Die Figur, die Müller mit diesem autoritären Kotzbrocken erfunden hat, ist genauer besehen ein Zerr- und Vexierbild. Der rüde Ton, den er auf dem Kasernenhof namens Theater anschlägt, ist auf die Spitze getriebene Parodie des soldatischen Vorbilds, wobei die Zeichnung des Mannes längst nicht so plakativ ist, wie es auf Anhieb erscheint. Unter der harten Schale verbirgt sich nämlich ein weicher Kern: und die Einsamkeit eines Menschen, der alles, aber auch wirklich alles falsch macht. „Happy Birthday, du Lusche!“ heißt das Jubiläumsprogramm, mit dem er am 1.10. im Cabaret Queue in Dortmund-Hörde und am 6.10. in der Gelsenkirchener Kaue gastiert.
Sie sind mit Abstand die einzigen Mannsbilder weit und breit, die „Oberwasser“ haben: Fritz Litzmann und Hermann Schwaderlappen, auch bekannt als Rainer Pause und Norbert Alich, die beiden Vereinsvorsitzenden des Heimatvereins Rhenania, die ihre kabarettistische Mission tatsächlich ernst nehmen. Sie warnen und mahnen, erheben fuchtelnd den Zeigefinger, stoßen wüste Drohungen aus und werfen sich menetekelnd in Brust: Die Zukunft, die uns Fritz & Hermann prophezeien, lässt das Blut in den Adern der Zuschauer gefrieren. Das Ruhrgebiet ist geflutet, die Luft atomar verseucht, im Eigenheim haben sich Seuchen übertragende Viren eingenistet, in den Bahnhöfen lauern Terroristen. Dass man sich über eben diese Horrorszenarien scheckig lachen kann, ist der unbeschreiblichen Komik dieses zeternden Paares zu verdanken. Deswegen: Am 13. heißt es ab nach Witten, in den Saalbau Saal B, wo die Bonner Kabarettisten ihr neues Programm präsentieren.
An gleicher Stelle tritt zwei Tage später – also am 15.10. – der zum Dahinschmelzen schüchterne Musik-Comedian Jens Heinrich Claassen im Bambi-T-Shirt auf. Der Mann am Klavier bezaubert nicht nur mit tonalen Qualitäten, sondern vor allem durch sein liebenswert linkisches Auftreten. Er kennt sich aus mit Singlebörsen und Spieleabenden, in deren Verlauf er regelmäßig den Kürzeren zieht. – „Freuen Sie sich!“, so der Titel seines Solo-Programms, in dem er die Tragikomik der eigenen Existenz einer Vivisektion unterzieht, mit heilsamem Ergebnis.
Sie sind hemmungslos, wenn es darum geht, die heiligen Kühe der Pop-Musik umzudichten. „Da ist die Musik-Polizei manchmal erschüttert“, weiß Achim Hagemann, der Kopf Der Familie Popolski, die er aus der Taufe gehoben hat. Wenn dieser legendäre Clan auftritt, wird daraus regelmäßig eine große deutsch-polnische Fete. Unter dem Motto „Get the Polka started“ geht es am 1.10. in der Gelsenkirchener Emscher-Lippe Halle zur Sache und am 12.10. im Theatersaal der Stadthalle in Mülheim an der Ruhr. Und wieder gibt es Enthüllungen sonder Zahl. Da kommt heraus, dass die Polka nicht nur eine weit unterschätzte Gattung der Musik-Geschichte ist. Auch die Tatsache, dass es sich bei ihr um die schwungvollste und älteste Musikform der Menschheit handelt, wird für manchen neu sein: Bereits 2.000 Jahre vor Christi Geburt wurden die ersten Polkas in Keilschrift in den Höhlen von Pyskowice verewigt. Darauf genehmigen wir uns erst mal einen Wodka – Nastruwko! – Skandalski! Da gäht där Post ab durch där Däcke, liebä Freundä – verspricht wie immer hoch und heilig Ihre über Tage lebende
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