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Foto: Interactive Media Foundation

Metaphysik durch VR-Brillen

24. November 2021

„Das Totale Tanz Theater“ in Bochum – Prolog 12/21

Oskar Schlemmer träumte bereits davon, den „Tänzermenschen“ auf der Bühne aus den Gesetzen des Raums und des Körpers zu befreien. In der berühmten Kunstschule tüftelte auch ihr Gründer Walter Gropius an einem Totaltheater, das die räumliche Trennung zwischen Schauspielern und Publikum aufheben sollte.

Schlemmers und Gropius’ Theorien blieben in den 1920er-Jahren weitestgehend Skizzen. Bis jetzt. Denn vor dem Hintergrund der Künstlichen Intelligenz und der Virtual Reality (VR) wird den einstigen avantgardistischen Ideen aus Weimar und Dessau ein neues, digitales Leben eingehaucht. Diesem Projekt widmete sich das Berliner Medienunternehmen Interactive Media Foundation.

Über VR-Brillen können die Zuschauer im Oval Office eine Virtual-Reality-Tanz-Performance verfolgen, die aus der Schnittstelle zwischen Choreografie und digitaler Szenografie entstand. Im Mittelpunkt steht dabei jenes Mensch-Maschinen-Verhältnis, das schon Oscar Schlemmer faszinierte: Die mechanische Kunstfigur, die den Organismus überwindet, als Automat oder – vorindustriell – als Marionette.

Der Bauhaus-Künstler verortete den Bühnenakteuer noch im kubistischen und abstrakten Raum, sah allerdings die technischen Möglichkeiten seiner Zeit als Inspirationsquellen für die Kunst, etwa die wissenschaftlichen Apparate oder die künstlichen Glieder der modernen Chirurgie. Diese Errungenschaften sollten die bisherigen Grenzen der Kunstfigur, die Akrobatik, sprengen, und nahezu metaphysische Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen.

Für „Das Totale Tanz Theater“ mussten die Tänzer um den renommierten Choreographen Richard Siegal zwar zunächst in den Gesetzeswelten von Körper und Raum ausharren, doch das interdisziplinäre, künstlerische Team zeichnete ihre Bewegungen mittels der Motion-Capture-Technik auf und verpflanzte die Choreografie in einen virtuellen Bühnenbau.

Damit bauen sie der Tanzmaschine eine Bühne aus Algorithmen – eine Rezeptionserfahrung, untermalt mit der Musik der einstürzenden Neubauten, welche die Macher als experimentell und immersiv preisen. Immerhin skizzierte dieses digitale Totaltheater niemand geringeres als Gropius, damals noch analog, niedergelegt mit einem einfachen Bleistift.

Das Totale Tanz Theater | Sa 27.11. 18 Uhr (P), bis 2.1.22 | Schauspielhaus Bochum | www.schauspielhausbochum.de | 0234 33 33 55 55

BENJAMIN TRILLING

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