Kaum ist die Teekanne eingeschlafen, pirschen sich die intrigante Tabascoflasche und ein Hammer, der Berater Captain Bordure, heran. Die Teekanne, das ist natürlich König Wenceslas. Und was nun auf der Bühne oder vielmehr auf dem Tisch geschieht, das ist der berühmte Königsmord aus Alfred Jarrys berühmten Theaterstück „König Ubu“ aus dem Jahr 1896. Den Pathos besorgt die Musik. Während ein bemaltes Schild den Herrscherwechsel verkündet: „Long live the King“. Was so kindisch klingt, das ist die Küchentisch-Adapation von Jarrys Groteske, mit der das Théâtre de la Pire Espèce (zu deutsch: „Theater der schlimmsten Art“) weltweit schon über 850 Mal in zahlreichen Ländern auftrat.
An diesem Eröffnungswochenende der fünften Figurentheaterwoche in Gelsenkirchen trat das kanadische Ensemble im Consol-Theater auf. Und sie demonstrierten: Figurentheater kann anarchische Freude bedeuten. Denn in gewisser Weise radikalisieren die Kanadier die Rezeption der Surrealisten und Dadaisten, die im 20. Jahrhundert Jarrys Stück feierten: Hier werden die Gegenstände, die sonst im Haushalt brach liegen, zu Protagonisten. Küchenutensilien und Lebensmittel sind die Helden.
Damit beweisen Théâtre de la Pire Espèce, dass Figurentheater nicht nur eine kulturelle Angelegenheit der Kleinsten ist. Und Handpuppen-Inszenierungen für Erwachsene sind auch in den nächsten Tagen in Gelsenkirchen zu sehen. Unter anderem mit einer weiteren Adaption eines Klassikers: „Don Camillo und Peppone“. Aus den Streitigkeiten zwischen einem katholischen Priester und einem kommunistischen Bürgermeister in den bereits verfilmten Romanen von Giovannino Guareschi macht der Puppenspieler Markus Dorner eine Soloinszenierung (Mittwoch, 24. Januar, Consol Theater).
Melodramatischen Stoff bietet dagegen „Hear my Song“. Das Figurenspiel vonVirginia und Stefan P. Maatz zeigen die Lebensgeschichte der beiden KünstlerInnen Vianne und Marc. Beide begegenen und verlieren sich zugleich in der Kunst. Ob das gut geht? (Donnerstag, 25. Januar, Consol-Theater).
Ein Höhepunkt des Festivals: Das Original Berlin Puppetry Slam. In Anlehnung an den modernen DichterInnenwettstreit haben die Teilnehmenden die Wahl, welche Requisiten sie in siebenminütigen Szenen einsetzen. Einzige Bedingung: Es müssen natürlich puppenspielerische Elemente sein. (Samstag, 27. Januar, Consol Theater) Wahrscheinlich ein Spaß für groß und klein. Aber dass die Grenze da nahtlos sein kann, das demonstrierte letzten Sonntag schon die kindisch-anarchische Inszenierung des Théâtre de la Pire Espèce. Besonders das große Finale, eine Materialschlacht, in der Baguette-Armeen in den Krieg ziehen und Tomaten gebombt werden. Küchentisch-Phantasien wie aus einem Action-Streifen von Michael Bay. Am Ende fliegen Weintrauben ins Publikum.
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