trailer: Herr Franzke, Parkautobahn klingt nach Ökologie. Sind die Pläne von RUHR.2010 zur Umgestaltung der A 42 auch ökologisch?
Klaus Franzke: Auf keinen Fall. Das sogenannte Straßenbegleitgrün soll ausgelichtet oder auch komplett beseitigt werden, um für den Autofahrer Blicke in die Landschaft zu öffnen. Dabei gehen Gehölzbestände verloren, die ansonsten den Feinstaub binden, das Kleinklima verbessern und Lebensraum für viele Tierarten sind.
Ist denn das schön, was dann da zum Vorschein kommt?
Es soll unter anderem ein Blick auf die Kamine der Müllverbrennungsanlage in Essen-Karnap freigeschnitten werden. Ob dies der Blick auf die Kulturhauptstadt sein soll, wage ich zu bezweifeln.
Sie sind grundsätzlich gegen die Pläne?
Fatal ist der Grundtenor des Projekts. Niemand hat etwas dagegen, dass Lärmschutzwände farblich umgestaltet werden. Das ist schön. Das ist wunderbar. Das ist klasse. Aber wenn man Autobahnohren an den Autobahnkreuzen...
...Kleeblätter – ökologisch korrekt formuliert.
Richtig, wenn man in diesen Kleeblättern also, zum Beispiel an der B 224, die großen Waldflächen komplett beseitigt, um den Boden mit schwarzem Substrat zu bedecken, dann vereinzelt ein paar Kiefern und Kirschbäume pflanzt, ist das unsinnig. Man möchte so an Kohle erinnern, den Vorbeifahrenden zeigen, dass sie im Ruhrgebiet sind.
Sinkt nicht auch die Aufmerksamkeit der Autofahrer, wenn man andauernd auf Kultur gucken muss statt auf die Bremslichter der anderen Autos?
Die Planer des Projektes argumentieren genau andersherum. Die Aufmerksamkeit der Autofahrer auf der A 42 sei gesunken, weil die Gestaltung so eintönig ist. Es soll, so das Landesverkehrsministerium, ein „mittleres Reizniveau angestrebt werden“.
Das ist ja reizend.
Es sollen große Landschaftsfenster geschaffen werden. Entweder werden dort, wo das Gehölz beseitigt ist, große Bilderrahmen aufgestellt, oder es sollen Fenster in Lärmschutzwände eingebaut werden. Wie vorbeifahrende Autofahrer bei Tempo 120 das wahrnehmen sollen, ist mir ein Rätsel.
Dann muss der Kunstinteressierte auf der Autobahn eben anhalten. Morgens und nachmittags passiert das doch schon mal kollektiv. Der WDR nennt das Stau.
Die Projektplaner haben aber auch an den fließenden Verkehr gedacht. An einigen Auf- und Abfahrten sollen sogenannte Parktankstellen errichtet werden. Dort kann der Autofahrer Informationen über die Stadt und die Region bekommen. Man soll dort auf Aussichtsplattformen klettern, auf das Emschertal gucken, natürlich zunächst mal auf die A 42, und man soll, so steht es in den Plänen, „den Emscher Landschaftspark riechen und schmecken“. In Zeiten erhöhter Feinstaubbelastung ist diese Formulierung schon sehr problematisch.
Wie teuer wird die Parkautobahn?
40 Millionen Euro soll das ganze Projekt kosten. Ein Teil der Mittel kommt ausgerechnet aus dem Ökologieprogramm Emscher Lippe (ÖPEL). Dies halte ich für eine Zweckentfremdung. Mit dem Programm sollen Naturschutzmaßnahmen realisiert und ökologische Funktionen nachhaltig verbessert und gesichert werden. Die geplante Gehölzbeseitigung bewirkt das Gegenteil.
Ein Parkfahrradweg wäre doch eine Alternative?
Fahrradwege werden zwar auch gebaut. Aber sie erregen keine internationale Aufmerksamkeit.
Passt Umweltschutz überhaupt ins Ruhrgebiet?
Das Ruhrgebiet ist nicht mehr der graue Raum Deutschlands. Es gibt hier sehr viel Natur.
Wenn man an die im Bau befindlichen Steinkohlekraftwerke denkt, glaubt man nicht zwingend an die Grüne Lunge des Ruhrgebiets.
Leider werden durch solche industriellen Großprojekte Landschaften, die in jahrzehntelanger Arbeit auch im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscherpark von 1989 bis1999 geschaffen wurden, auf lange Sicht wieder negativ verändert. Bemühungen, etwas für Mensch und Natur zu schaffen, werden so konterkariert.
Hat der BUND Pläne für das Kulturhauptstadtjahr?
Der BUND ist ein Umwelt- und Naturschutzverband. Kulturprojekte überlassen wir lieber anderen. Es wäre aber gut, über das Jahr 2010 hinaus zu denken. Im Moment richtet sich alles an dieser Jahreszahl aus. Danach scheint es nichts mehr zu geben. Gerade die Stadtentwicklung braucht vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der anstehenden ökologischen Aufgaben Projekte, die über das Jahr 2010 hinausgehen.
Hat die Ökologie in Zeiten der Wirtschaftskrise eine neue Chance?
Wirtschaft und Naturschutz werden oft als Gegensatz dargestellt. In vielfacher Hinsicht hat sich aber gezeigt, dass die Wirtschaft gar nicht mehr ohne die Ökologie kann. Beispielsweise sparen bei dem Projekt „Ökoprofit“ Unternehmen massiv Energie, Wasser und somit auch Geld.
Der BUND wird jetzt aber nicht Opel übernehmen?
Nein, das mit Sicherheit nicht.
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