Für den amerikanischen Schriftsteller Henry Miller war das Gefühl, durch die Straßen der Hafenstadt Boston zu laufen so, als „folge man den Spuren eines wahnsinnigen Riesen, der seine verrückten Träume in die Erde gesät“ hat. Miller kam damals gerade aus Paris, was seinen Eindruck sicher verstärkte. Einer jener verrückten Riesen-Träume, den man seit Jahrzehnten wirklich ernten kann, ist der Irish-Folk-Punk „made in Boston“. Mit den Street Dogs war am Freitag im Bahnhof Langendreer eine Band zu Gast, die diesem Urteil eindrucksvoll Nachdruck verlieh.
Frontmann und Sänger Mike McColgan, sowohl Gründungsmitglied der Dropkick Murphys als auch der Street Dogs, hat mit seinen Jungs den Lärm- und Stimmungspegel gleich hoch gesetzt. Bei den Songs „Punk Rock & Roll“ und „Not Without a Purpose“ traf sich vorne schnell eine Pog-Gemeinde, die der Band bis zum Ende des Konzerts treu bleiben sollte. Bei den Zuschauern der bis an die Hintertür gefüllten Halle des Bahnhofs Langendreer kam dies sofort gut an, spätestens dann, als Bassist Johnny Rioux den deutschen Gerstentrank als „Fuckin’ Best Beer in the World“ bezeichnete (McColgan schrie mit schönem amerikanischen Slang „Reinheitsgeboot“ hinterher).
Vom Feuerwehrschlauch zum Mikrofon
Die Entstehung der Street Dogs ist selbst alles andere als einfach gewesen. Sänger Mike McColgan verließ die heute international bekannteste Irish-Punk-Band, die Dropkick Murphys, 1998, weil sein langgehegter Wunsch, Feuermann beim Boston Fire Department zu werden, wahr wurde. Erst 2002 formte er mit seinem Kollegen Johnny Rioux (der zuvor bei der Bostoner Band „Bruisers“ war, aus der auch McColgans Ersatz bei den Murphys kam, Al Barr) und anderen Musikern aus der Bostoner-Punk-Band-Szene die „Street Dogs“. Ganz unverbindlich traf man sich und nahm ein erstes Album auf, „Savin Hill“. Die Reaktionen darauf waren unerwartet gut, als ob man in der Hafenstadt eine musikalische Lücke geschlossen hätte, nach dem die Murphys bereits international gefeiert wurden. Mike McColgan überließ die Brände in Boston jemand anderem und widmete sich nun voll und ganz seinem Punk-Rudel. Inzwischen haben die Street Dogs fünf ordentliche Alben raus gebracht und sind aktuell bei Hellcat Records unter Vertrag.
Deutsche Lieblingsband: Emscherkurve 77
Wenn es nach McColgan und co. geht, ist die „Emscherkurve 77“ die beste deutsche Punk-Band. Am Freitag konnte man sich davon überzeugen, warum die Street Dogs so viel Wert auf ihre Freunde aus Oberhausen legen. Als Support hinterließ die fußballverrückte Band ein bestens eingeheiztes Publikum. Gegen Ende dieses Konzertes durfte dieses erfahren, wie nah die Dropkick Murphys noch mit den Street Dogs verbunden sind. Nachdem McColgan seine ehemalige Band feiern ließ, stimmte er „Do or Die“ von den Murphys an. Da kam nur noch die Arbeiterhymne „Up the Union“ gegen an. Dieses Lied hatten die Street Dogs bei Arbeiterstreiks letztes Jahr in Wisconsin gespielt. Vielleicht lädt man die Jungs 2016 zur drohenden Opel-Schließung ein. Solch eine Bostoner Anekdote hätte auch Henry Miller gefallen.
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