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„Peter Pan“
Foto: Diana Küster

Die Suche nach der Mutter für alle

28. November 2012

„Peter Pan" im Grillo Theater Essen - Theater Ruhr 12/12

Ärger mit Piraten? Etwa im Irgendwo am Horizont falsch abgebogen und dann dem Regenbogen gefolgt? Stimmt, am zweiten Stern links und dann immer geradeaus bis zum Morgen – dort ist Nimmerland, die Vision einer ewigen Kindheit, wo man Cowboy und Indianer spielen kann, den Tag verschlafen oder mit Meerjungfern kämpfen kann. Diese 110 Jahre alte Geschichte des Schotten James Matthew Barrie um Peter Pan, dem Jungen, der nie erwachsen werden wollte, ist das diesjährige Weihnachtsmärchen am Theater Essen.

Inszeniert hat sie Henner Kallmeyer als visuelles Dauerfeuer mit schwebenden Bühnen und fliegenden Kindern. Peter Pan und seine „Lost Boys“ hausen auf der Insel der Träume und kämpfen gegen die Piraten, deren Anführer Captain Hook ein fieser Möppel ist, selbst immer auf der Flucht vor dem menschenfressenden Krokodil.

Auf des toten Manns Kiste
Irgendwie ist es schon spannend in einer Aufführung mit gefühlten 100 Schulklassen zu sitzen, die wibbeligen Schüler alle Videospiel-Cracks und Handy-gestählt. Wenn aber der Vorhang aufgeht und ein riesiger weißer Hund (mit Schauspieler drin) über die Bühne strolcht, dann ist Ruhe im Saal. Und wenn dann gefragt wird, ob alle an Feen glauben, dann ist die Zustimmung so einstimmig, dass einem warm ums Herz wird und der Glaube an die einfache kindliche Fantasie wohl doch noch nicht von X-Box, Playstation oder Wii ausgeätzt wurde. Und so ist sie noch aktuell und auch für Erwachsene nachdenkenswert, diese verzauberte Geschichte über eine Flucht aus dem Alltag in eine Traumwelt ohne Pflichten, ohne Regeln und ohne Gedächtnis. Eine Geschichte auch darüber wie schwierig und melodramatisch diese Figur Peter Pan doch eigentlich ist. Regisseur Kallmeyer hat dies sehr untergründig mitinszeniert, fast nicht wahrnehmbar, doch oft sitzt der Junge, der in Essen ein Mädchen ist, ziemlich nachdenklich in seinem bunten Reich.

Klingklang und die Eifersucht
Doch dann geht es wie es sich gehört wieder rund, mit wilden Kampfszenen zwischen den Jungs und den Piraten, die Peters Freundin Wendy entführen, um ihn endlich zu töten. Ein ganzes riesiges Piratenschiff hat Franziska Gebhardt auf den Bühnen-Drehteller gezaubert, das sogar anlegen kann und über dunkle Frachträume verfügt. Hier kommt es zum großen Endkampf, hier entscheidet sich das Schicksal der Kinder, die natürlich wieder nach Hause kommen, begleitet von den verlorenen Jungen, die sich nichts sehnlicher wünschen als eine Mutter. Nur Peter bleibt zurück mit der Fee Klingklang und ihrem blinkenden weißen Kleidchen. Klingklang, absolut großartig gespielt von Barbara Hirt ist der heimliche Star der Inszenierung. Geschickt verpustet sie Feenstaub, lispelt in unverständlicher Elfensprache und verteidigt geschickt und eifersüchtig ihren geliebten Peter gegen Piraten und auch gegen die Nebenbuhlerin Wendy. Ihren ganz eigenen Habitus hält sie unglaublich konsequent über die ganze Spieldauer durch, selbst wenn sie als Indianerin Tiger Lily zwischendurch mal eben ein paar Piraten umhauen muss. Noch beim jubelnden Applaus kommt sie nicht aus der Rolle heraus, das ist ganz toll.

Nebelmaschine gegen Playstation
Wie immer bei einer Weihnachtsproduktion für Kinder und Jugendliche besticht die prächtige Ausstattung. Licht, Kostüme, Bühnenbild, alles ist mit viel Arbeit und Liebe gewählt, der Lohn sind glänzende Kinderaugen und ein bewunderndes „Aaaah“, wenn die Nebelmaschine weiße Schwaden über die Bühne schickt und die riesigen Baumwurzeln in einen nebulösen Urwald verwandeln. Da spielen dann auch die beiden Musiker Burkhard Niggemeier und
Patrick Hengst mit und nehmen zumindest optisch am Indianer gegen Piraten-Kampf teil.

„Peter Pan“ | Di, 25.12., 18 Uhr (Restkarten) | Grillo Theater Essen | 0221 812 26 00 | schauspiel-essen.de

PETER ORTMANN

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