Mit dem sogenannten EU-Türkei-Deal am 20. März 2016 demonstrierte Europa, was es von den eigenen Werten hält: Der Pakt sorgte für eine Schließung der mazedonisch-griechischen Grenze sowie anderer Routen. Der Effekt: Geflüchtete und Migrant:innen können seitdem nicht mehr von den griechischen Inseln auf das Festland gelangen. Die Schutzsuchenden wurden stattdessen in der Ägäis durch oft gewaltsame Pushbacks zurückgetrieben oder auf Inseln wie Lesbos, Samos oder Chios zusammengepfercht, die seit dem Inkrafttreten des EU-Türkei-Deals zum Freiluftlager umfunktioniert wurden.
Da durch diese Maßnahmen, die EU- sowie internationales Recht verletzen, nicht die Fluchtursachen aufgehoben werden, kommen trotzdem wie zuletzt zwischen Januar und November 2022 nach UNO-Angaben rund 34.300 Menschen vor allem über die türkisch-bulgarische Landgrenze nach Europa. Das sind 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Der größte Teil, der über die Balkanroute nach Europa flieht, kommt aus Afghanistan (35 Prozent), das die Nato im Sommer 2021 im Chaos zurückließ. Unterstützung erhalten die Fliehenden im Balkan von professionellen Schmuggler:innen, welche die Geflüchteten auf dem Festland sich selbst überlassen.
Von der EU können sie vor Ort ebenso keine Hilfe erwarten; im Gegenteil: Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen erwähnt Berichte, denen zufolge viele Schutzsuchende unter elendigen Bedingungen in den Ländern der ehemaligen Jugoslawischen Republik ausharren. Nach Angaben von Save the Children in Belgrad sowie einer Studie der Universität Sarajewo sind es vor allem Kinder, die ohne Obdach dastehen sowie der Gewalt von Schleuser:innen, Polizist:innen oder andere Erwachsene hilflos ausgesetzt sind. Garant für diese Zustände ist nicht zuletzt Kroatien, das jüngste EU-Mitglied (seit 1. Januar 2023), das die Menschen mit einer restriktiven Migrationspolitik zurückdrängt.
Der Journalist und Rettungssanitäter Dirk Planert engagiert sich seit Jahren in der humanitären Hilfe auf dem Balkan. Er ist Gründungsmitglied der Initiative SOS-Bihać in Bosnien-Herzegowina, die in der Region eine Bereitstellung von Wasser, Nahrung, Kleidung, Notunterkünften oder medizinische Versorgung organisiert. Planert kennt die Situation vor Ort, die sich zuletzt aufgrund des Ukrainekriegs verschärfte. Über die aktuelle Lage spricht er in Duisburg.
Die Vergessenen am Rande Europas – Flüchtende auf der Balkanroute | 27.6., 19 Uhr | Soziokulturelles Zentrum Stapeltor | www.rosalux.de
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