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Am Ende liegen die Angry Young Men (Felix Lampert als Jack) immer zwischen leeren Flaschen. Arne Nobel inszeniert „Wodka in Dublin“ von Conor McPherson
Foto: Birgit Hupfeld

"Wir machen keine Beamer-Shows"

30. Juni 2011

Schauspiel im Rohformat. Vor genau zwei Jahren begann die Ära des kleinen Rottstr5 Theaters in Bochum - Premiere 07/11

Mitten im Juni 2009 begannen die Aufräumarbeiten, die bis heute anhalten, die S-Bahn rumpelt nach Zeitplan über die Katakomben, gleich gegenüber eine Peepshow, nebenan die Schaufensterfläche mit Kung Fu Kämpfern aus Kunststoff und Lampions aus chinesischer Massenware. Schick ist die Gegend an der Bochumer Rottstraße nicht, aber das war sie auch nie. Hier ist das inzwischen schwer angesagte Off-Theater von Arne Nobel, wo junge Zuschauer auch schon mal mit Rucksack anreisen und ältere Semester direkt vor der Tür parken dürfen. In der Region bereiten sich die teuren Stadttheater auf die Sommerpause vor, so eine Sommerpause kann sich das Rottstr5 Theater, dessen erste Aufführung stilecht am 11. September stattfand, nicht leisten.

trailer: Herr Nobel, zwei Jahre Theater im dunklen Gemäuer – wird man da eher zum Minnesänger oder zum Ritter?
Arne Nobel
: Zum singenden Ritter. Ursprünglich waren mal sechs Veranstaltungen pro Monat geplant. Jetzt machen wir oft mehr als 20. Aber es ist jeden Tag ein harter Kampf, dieses Chaos zu beherrschen. Man muss auch eine Rüstung haben.

Deshalb steht im Kern des Spielplans momentan ein mittelalterliches Heldenepos?
Wir haben mit der griechischen Mythologie angefangen. Mich haben Mythen schon immer interessiert, denn: Wie wird Geschichte zur Legende, wie wird Legende zum Mythos und was bedeutet das heutzutage? Da haben wir uns jetzt mal einen Stoff aus der deutschen Mythologie vorgenommen: Das große Nibelungenlied. Weil da die großen Themen drin stecken: Liebe, Verrat, Freundschaft, abgründiger Hass, Rache. Das sind alles sehr leidenschaftliche Charaktere und mit denen kann man wunderbar spielen. Wir sind ziemlich verblüfft gewesen, wie wenig Literatur oder Adaptionen es im Grunde da gibt, wie wenig Dramatisches. Alle denken immer nur an Wagner. Wir entwickeln dann selber die ganzen Texte und fragen: Was ist eigentlich mit den Charakteren los, wenn nicht über die gesungen wird? Das ist spannend, das hat dann auch was mit uns zu tun. Dieses kleine Theater ist dann immer mit großen Gefühlen gefüllt und mit großen Charakteren.

Fokussiert auch durch den winzigen Raum. Ist das tatsächlich intensiver als auf einer großen Bühne?
Klar. Durch die räumliche Nähe ist man auch emotional näher dran. Das beste Beispiel ist die erste Premiere gewesen, der Brunhild Monolog – das ist toll. Das war auch eine schöne Arbeit mit Magdalena Helmig. Wie viel sie von Brunhild zeigt und wie viel Brunhild eigentlich in so einer Frau drinsteckt und was man darüber alles erzählen kann an Sehnsucht, Verletzlichkeit und dann Rache.

Ist Off-Theater ohne Stadttheaterstruktur tatsächlich eine Befreiung?
Ja. Ich kann viel freier entscheiden, was ich mache. Ich kann meine Geschichten erzählen. Ganz kurz: ja, es ist eine Befreiung.

Die Einnahmen reichen nicht, die Rottstraße zu finanzieren. Die Einnahmen im Schauspielhaus reichen ja auch nicht aus. Wo ist Zukunft?
Wir sind gerade wieder dabei, Sponsoren zu suchen. Das fällt uns jetzt leichter, weil wir aus dieser Schmuddelecke heraus und damit interessanter geworden sind. Wir

Arne Nobel
Foto: privat
Geboren in Elsfleth (Weser), studierte Theater-Film-Fernsehwissenschaften, Deutsche Philologie, Soziologie, Kneipen, Fußball, Frauen, Latein in Köln und Schauspiel am Studio für Darstellende Kunst in Hamburg. Arbeitete als Tankwart, Privatdetektiv, Texter und Konzeptionierer, Kindergärtner, Ölsucher, Radioredakteur in ganz Europa. Als freier Schauspieler am TaT Frankfurt, Schauspiel Köln und bei den Berliner Festspielen „spielzeiteuropa“. 2005 ging er als Regieassistent ans Schauspielhaus Bochum, inszenierte dort „Die gesammelten Werke von Billy the Kid“ von Michael Ondaatje und „A tribute to Johnny Cash“. Eröffnete im Juni 2009 das Rottstr5 Theater und ist dort vor, hinter, auf der Bühne aktiv (und drum herum auch),

sind jetzt auch überregional anerkannt. Es gab Leute, die zu Beginn nichts mit uns zu tun haben wollten, jetzt gibt es viele Menschen, die an uns herantreten und fragen, wie kann ich helfen. Ich bin zuversichtlich, dass das klappen wird. Der andere Punkt ist, je mehr man macht, desto mehr Ausgaben hat man. Wir wollen das aber alles machen und wir wollen, dass das weiterbesteht. Wir brauchen dafür allerdings mittlerweile das Doppelte als am Anfang.

Es läuft das Impulse Festival. Sind die sowas wie die Bundesliga der freien Theater?
Weiß ich nicht. Die legen ja eher wert auf „klassisches“ freies Theater mit Performances und Spektakel und so. Ich sag immer wir sind „neokonservatives“ Theater. Wir machen keine Beamer-Shows. Wir machen keine Improvisationen, wir beziehen das Publikum nicht ein, ich betrinke mich nicht wirklich auf der Bühne oder solche Sachen. Wir machen „klassisches“ Schauspieler- und Text-Theater. Das ist das, was mich am Theater interessiert. ‚Wir sind jetzt frei und wuppen mal rum‘ ist für mich ein bisschen Verweigerung der Regie und des Theaters an sich.

Das ist also kein nacktes Theater?
Nein (lacht).

Aber mit Jugendclub.
Ich habe damals selber durch einen Jugendclub mit Theater angefangen und ich finde das einfach sehr wichtig. Wie bei Jogi Löw, der auch Leute aus der U21 holt. So ist das bei uns auch. Die Jungs und Mädels machen das ganz toll. Ich finde da auch ganz wichtig, dass sie Stücke machen und nicht erzählen, wie es privat geht. Die setzen sich mit einem Text auseinander, die spielen Rollen. Dafür haben wir mit Clara Nielebock auch eine tolle junge Regisseurin, die das auch gut vermittelt. Die die jungen Schauspieler auch qualifiziert. Die wollen eigentlich alle zur Schauspielschule und sie arbeiten bei uns sozusagen unter professionellen Bedingungen. Alle sind von einem Virus infiziert worden und pflegen den jetzt. Die lernen hier ziemlich viel.

Wie könnten die Leser vom Trailer dem Rottstr5 Theater helfen?
Vorbei kommen! Vorbei kommen! Vorbei kommen!

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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