Fürchte nicht den Schnee im März, darunter schlägt ein warmes Herz. Eine Bauernregel, die sich sicherlich im Angesicht des Klimawandels verflüchtigen wird. Sommer und Winter sind zwei Pole eines Jahreszeitenreigens. Noch ziemlich unterschiedlich, sich aber im Grunde funktional ähnlich: beide werden auf der Welt gebraucht. Was wäre dagegen „Ewigkeit, Ende, und alles, was niemals begann“? Ta-Nia, die 2021 beim Berliner Theatertreffen einen Stückauftrag für das Schauspiel Dortmund gewonnen haben, feiern mit dem neuen Stück im kriegerischen März (römischer Kriegsgott Mars) Premiere. Ta-Nia sind Talia Paulette Oliveras und Nia Farrell, ein Theatermacherinnen-Duo, das die Theatergrenzen der weißen Schauspiel-Institution herausfordern will, um kompromisslose Schwarze-Befreiungsräume zu schaffen. Da geht es nicht nur um die BPoC (Black and People of Color) -Bewegung in den USA oder Afro-Futurismus, sondern um eine imaginäre „andere Seite“, in der das Unbegreifliche greifbar werden soll.
Mit Break on Through (To the Other Side) von den Doors (ja, alter weißer Mann) hat das natürlich nichts zu tun, eher mit dem Versuch, die Wut Schwarzer Menschen in einer Anti-Schwarzen-Gesellschaft erst einmal zu benennen, um sie dann vielleicht zu überwinden. Die beiden Theatermacherinnen zitieren in ihrer Ankündigung dafür auch Martine Syms und deren afrofuturistischen Film „Mundane Afrofuturist Manifesto“ (2013), der keine schwarze spekulative Fiktion, sondern ein idealistischer Gegenentwurf zum rassistischen weißen Planeten Erde sein will. Aber die „andere Seite“ wird leider nur schwer zu erreichen sein und so stellen Ta-Nia im Dortmunder Theater drei Fragen, um dorthin zu gelangen: Wohin gehen Schwarze Menschen, wenn sie sterben? Was würde passieren, wenn Träume bedingungslos und durch eigenes Handeln möglich wären? Wie können wir als Schwarze Menschen in einer Welt, die uns nicht liebt, frei sein? Vielleicht sind diese Fragen radikaler als wir uns das vorstellen können. Also, auch wenn der Bauer im Märzen immer noch seine Rösslein mit fossiler Energie anwirft, um gesunde Lebensmittel zu produzieren, fahren Sie lieber mit dem Rad oder dem 49 Euro-Doppelwumms (Bus und Bahn!) nach Dortmund ins Theater und prüfen dort dann ihr warmes Herz unter dem weißen Schnee.
Ewigkeit, Ende, und alles, was niemals begann | R: Ta-Nia | 18.3. 20 Uhr (P) | Theater Dortmund (Studio) | 0231 50 27 222
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Ich glaube, Menschen sind alle Schwindelnde“
Regisseurin Shari Asha Crosson über „Schwindel“ am Theater Dortmund – Premiere 11/24
Das Viech im Karussell
„Woyzeck“ im Dortmunder Theaterstudio – Auftritt 10/22
„Blick auf die Vereinsamung in der virtuellen Welt“
Frank Genser inszeniert in Dortmund „norway.today“ – Premiere 12/18
Dem deutschen Publikum
Kay Voges macht‘s möglich: Die Zuschauer sind die besten Protagonisten in der Dortmunder „Die Show“ – Auftritt 09/15
„Das Böse hat Hochkonjunktur“
Jörg Buttgereit inszeniert in Dortmund „Nosferatu lebt!“ – Premiere 11/14
Der äußerste Saum eines Bewusstseins
Kay Voges bringt Sarah Kanes „4.48 Psychose“ auf die Dortmunder Studiobühne – Auftritt 06/14
Stimme gegen das Patriarchat
„Tabak“ am Essener Grillo-Theater – Prolog 11/24
Krieg und Identität
„Kim“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 11/24
Liebe ist immer für alle da
„Same Love“ am Theater Gütersloh – Prolog 11/24
Mentale Grenzen überwinden
„Questions“ am Münsteraner Theater im Pumpenhaus – Prolog 10/24
Bollwerk für die Fantasie
Weihnachtstheater zwischen Rhein und Wupper – Prolog 10/24
Der Held im Schwarm
„Swimmy“ am Theater Oberhausen – Prolog 10/24
Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24
„Was dieser Mozart gemacht hat, will ich auch machen“
Komponist Manfred Trojahn wird 75 Jahre alt – Interview 10/24
„Hamlet ist eigentlich ein Hoffnungsschimmer“
Regisseurin Selen Kara über „Hamlet/Ophelia“ am Essener Grillo Theater – Premiere 10/24
Das gab es noch nie
Urbanatix im Dezember wieder in Essen – Bühne 10/24
Die Zwänge der Familie
„Antigone“ in Duisburg – Prolog 09/24
Das schöne Wesen aller Dinge
Festival Spielarten 2024 in NRW – Prolog 09/24
Jenseits von Stereotypen
„We Love 2 Raqs“ in Dortmund – Tanz an der Ruhr 09/24
Wüste des Vergessens
„Utopia“ am Theater Oberhausen – Prolog 09/24
„Das Publikum braucht keine Wanderschuhe“
Intendant Ulrich Greb inszeniert „Ein Sommernachtstraum“ am Schlosstheater Moers – Premiere 09/24
Künstlerisches (Ver-)Lernen
Das Favoriten Festival 2024 in Dortmund – Prolog 08/24
Gegenwart einer Gegenkultur
„Pump Into The Future Ball“ in der Jahrhunderthalle Bochum – Tanz an der Ruhr 08/24
Das Trotzen eines Unglücks
Die neue Spielzeit der Stadttheater im Ruhrgebiet – Prolog 08/24