Stell dir vor, du liest ein spannendes Buch oder schaust einen Film. Du wirst hineingezogen, verlierst dich darin. Genau das ist Immersion und genau das versprachen die Installationen, Performances und 360°-Videos des viertägigen DIVE Festivals, dessen Lettern für Digitale Immersion, virtuelle Klangräume und Theater Environments stehen.
Betörend klang zunächst die Idee, alle menschlichen Sinne zu beanspruchen, was durch die „Sensefactory“ in der Zeche Eins gelingen sollte. Letztendlich war es eine riesige Hüpfburg, dessen auf- und abblasende Wände mit geheimnisvollen Tönen bespielt wurden und einen Odeur von Lavendel, Putzmittel und Pups an der Kleidung hinterließen. Etwas schmecken mussten die Besucher*innen glücklicherweise nicht.
Die vierstündige Show im Planetarium konnte im Gegensatz zu einem Theater halb-liegend und tatsächlich genossen werden. Die gruselige Geigenmusik und die auf die Kuppel projizierten Hände des „Dunklen Waldes“ (Florian Hartlieb) erschauderten mich nicht mehr, als Kai Schumachers „Beauty in Simplicity & Insomnia“ wieder mein Gemüt durch seine Begleitung auf dem Klavier und einen 80er Jahre Space-Tunnel beruhigte.
Ganz in seinen Bann zog mich dafür der Künstler Chikashi Miyama, der mit seinen Handschuhen das Licht wie einen Insektenschwarm wirbeln ließ und das ganze Publikum im Saal auch mit seinen tanzartigen Bewegungen fesselte.
Ulf Langheinrichs „Hemisphere“ hypnotisierte schon durch die roten, pixeligen Farben, doch „Lost“ knallte mit dem 15-minütigen Strobolicht-Dauergeballer auf die kaum zu öffnenden Augen nieder. Es sollte einer Nahtod-Erfahrung gleichen, erzählte der Kurator des Schauspielhauses, Tobias Staab. Auf meine Nachfrage hin, wie oft er denn „Lost“ schon gesehen habe, sagte er: „So an die 20 Mal. Danach fühle ich mich jedes Mal wie gereinigt“. Sauber fühlte ich mich nicht, nur erschöpft. Doch glich es in der Tat einer Grenzerfahrung. Langheinrichs drittes Projekt „Waveform X“ war im Oval Office zu bestaunen, bei dem eine kleine Gruppe von Leuten einen dunklen Raum mit 3D-Brillen betrat und einen rauschenden Bildschirm zombiemäßig anstarrte. Tat man das lang genug, bewegte er sich und der nicht-existente Boden glich einem Meer. Diese Installation kann bis Mitte Januar begutachtet werden.
Mein persönliches Highlight war das 360°-Video „Non-Face“, in dem sich verschiedene Formen und Objekte bewegten, die kaum zu beschreiben waren, da sie nicht mal reale Dinge darstellten. Dabei spielte die Musik so mysteriös, dass mich die Atmosphäre an „Stranger Things“ erinnerte. Eine automatisch generierte Bildbeschreibung in Word sagte jedenfalls dazu: ein Bild, ein Tisch, drinnen, Kuchen, sitzend.
Einen meditativen Abschluss bot „The Happiest Thought“ von Agnieszka Polska, die durch die Erzählung der Erdgeschichte das Publikum mit einer singenden, kreisenden Maske im Himmel zum Nachdenken anregte. Das DIVE Festival bestätigte vor allem, welches Zukunftspotenzial solche Kunst-Kollaborationen haben. Eine Mischung aus Video, Licht, Musik und Tanz wird sicherlich in zehn Jahren noch viel größere Dimensionen erreichen, so dass wir neben Kino und Theater öfter mal das Planetarium aufsuchen werden.
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