Es sind neue Erfahrungswelten, die das „Dive“-Festival verspricht. Vom 21. bis 24. November zeigen internationale KünstlerInnen Performances oder Installationen, die eines teilen: die Immersion. Kurz definiert: Sie lassen das Publikum ins Werk eintauchen. An der Technik immersiver Künste wurde in den letzten Jahren gefeilt. So entführen etwa die Virtual-Reality-Brillen in digitale Räume.
Die Vorstellungen an den verschiedenen „Dive“-Stationen gehen allerdings über dieses Videospiel-Equipment hinaus, wie Tobias Staab, einer der Kuratoren, verspricht: „Es ist nicht darauf beschränkt. Im Theater und der Kunst gibt es die unterschiedlichsten Visionen.“ Denn hinzu kommen etwa Live-Performances, Klangräume, Soundteppiche oder begehbare Environments. Die Produktionen bei „Dive“- bewegen sich damit an der Schnittstelle von Realwelten und Immersion.
Wie das aussehen kann, beweist der Künstler Ulf Langheinrich. Seine Installation „Waveform X“ feiert im Oval Office des Schauspielhauses ihre Weltpremiere. Die Besucher erhalten vor dem Eintritt eine eigens dafür entwickelte Brille, die zum virtuellen Erlebnis beiträgt. Acht Besucher können jeweils hinein. „Es ist eine sehr architektonische Arbeit“, sagt Langheinrich. „Anders als bei meinen anderen Werken ist es hier so: Der Raum existiert.“ Drinnen blickt das Publikum auf flackernde und rauschende Farben auf der Leinwand, die durch einem Spiegel auf dem Boden gleich verdoppelt wird.
Ulf Langheinrich ist als „Fokuskünstler“ des Festivals mit einem weiteren Werk präsent. Im Planetarium wird deutlich, was er meint, wenn er sagt, dass in seiner Kunst der Raum normalerweise nicht existiert. In „Lost + Hemisphere“ verliert die Kuppel des Planetariums seine Form und seine Dimension. Mit einem Blitzgewitter bunter Stroboskoplichter erfährt der Besucher eine Art öffentlich finanzierten LSD-Trip. Eine berauschende Performance, die ohne die planetariumstypische Videoprojektionstechnik auskommt.
Auf die wiederum setzt Chikashi Miyama. Mittels der speziellen Qgo-Datenhandschuhe steuert der Künstler die abstrakten Formen, die an die Kuppel geworfen werden. Tanzt der Künstler, tanzt die ganze Welt um ihn und die Betrachter herum. Insgesamt acht Synthesizer setzen die Daten, die Miyama mit seinen Bewegungen erzeugt, in Video und Audio um. „Trajectories“ heißt die Performance, die neben „Lost + Hemisphere“ und fünf weiteren Videos und Performances am Freitag im Planetarium zu sehen sein wird.
An solcher Sogkraft tüftelt die Kunst nicht erst, seitdem das digitale Know-how dafür bereit steht, sondern schon lange vor Richard Wagners Gesamtkunstwerk, von der sich der Komponist im 19. Jahrhundert eine Art integrative Utopie erhoffte, wie Tobias Staab zurückblickt: „Diese Art des Eintauchens gibt es im Theater schon seit langer Zeit.“
Von einem Zusammenspiel von Publikum, Ton und sogar Gerüchen träumte auch der Bühnenbildner und Bauhaus-Pionier László Moholy-Nagy. Seine Partiturskizze bildete den Ausgangspunkt der großformatig-begehbaren Installation „Sensefactory“ in der Zeche1, eines der Festival-Highlights. Das Ergebnis erscheint zunächst wie eine klassische Hüpfburg. Bis sich die Pforten öffnen und sich BesucherInnen-Gruppen von jeweils 30 bis 50 Personen im Inneren wie in einem düsteren Labyrinth treiben lassen können. „Sensefactory“ ist keine bloße Umsetzung von Moholy-Nagys Skizze, wie Dietmar Lupfer, künstlerischer Leiter beim Muffatwerk München (wo die Installation zuerst präsentiert wurde) betont: „Uns ging es um eine freie Interpretation, wie wir das in der Jetzt-Zeit umsetzen können“. Eine KI-Steuerung lenkt die Sensorik, die wiederum Licht und Ton beeinflusst. Zudem versprüht diese Technik verschiedene Geruchsvarianten, sodass man auch durch die Nase in das Erlebnis eintaucht.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Tauchgang in die Kunstwelt
Das Dive-Festival in Bochum – Kunst 11/23
Immersive Erlebnisse beim DIVE-Festival
1 Festival, 6 AutorInnen, 6 Perspektiven
Entzückung beim DIVE-Festival Bochum
DIVE-Festival Bochum: Die Rauminstallation Sensefactory – Kunst 11/19
Angst und Faszination beim DIVE-Festival Bochum
DIVE-Festival Bochum: Eintauchen in Videos und Klänge im Planetarium – Kunst 11/19
Loslassen können beim DIVE-Festival Bochum
DIVE-Festival Bochum: Die Installationen „Chordeograph“ und „Sensefactory“ – Kunst 11/19
Außerordentliche Eindrücke beim DIVE-Festival Bochum
DIVE-Festival Bochum: Immersion in Zeche Eins und Planetarium – Kunst 11/19
Hüpfburgen-Ästhetik beim DIVE-Festival Bochum
Das große Eintauchen? – Kunst 11/19
Grenzerfahrung beim DIVE-Festival Bochum
DIVE-Festival Bochum: Verschiedenste Eindrücke in Zeche Eins, Planetarium und Oval Office – Kunst 11/19
Kopfüber in die Hemisphäre der Wut
DIVE-Festival: Der 22. November im Planetarium Bochum
Aus zwei Sammlungen
Das frühe 20. Jahrhundert im Kunstmuseum Mülheim – kunst & gut 11/24
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
„Mangas sind bei der jungen Leserschaft die Zukunft“
Leiter Alain Bieber über „Superheroes“ im NRW-Forum Düsseldorf – Sammlung 11/24
Der Künstler als Vermittler
Frank van Hemert in der Otmar Alt Stiftung in Hamm-Norddinker – kunst & gut 10/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
„Weibliche und globale Perspektiven einbeziehen“
Direktorin Regina Selter über „Tell these people who I am“ im Dortmunder Museum Ostwall – Sammlung 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
„Jeder Besuch ist maßgeschneidert“
Britta Peters von Urbane Künste Ruhr über die Grand Snail Tour durch das Ruhrgebiet – Sammlung 09/24
Orte mit Bedeutung
Zur Ruhrtriennale: Berlinde De Bruyckere in Bochum – kunst & gut 09/24
Denkinseln im Salzlager
Osteuropäische Utopien in Essen – Ruhrkunst 08/24
Ausgezeichnet auf Papier
Günter Drebusch-Preis 2023 in Witten – Ruhrkunst 08/24
Räume und Zeiten
Eindrucksvoll: Theresa Weber im Kunstmuseum Bochum – kunst & gut 08/24
Roter Teppich für das Kino
Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets im Essener Ruhr Museum – Ruhrkunst 08/24
„Die jüdische Renaissance ist nicht so bekannt“
Museumsleiterin Kathrin Pieren über „Shtetl – Arayn un Aroys“ im Jüdischen Museum in Dorsten – Sammlung 08/24
„Auch die Sammler beeinflussen den Künstler“
Kurator Markus Heinzelmann über die Ausstellung zu Gerhard Richter in Düsseldorf – Sammlung 08/24