„Weil Langeweile langsam langweilig wird“ setzt der Song „Gegenwindsurfen“ von den Donots an – und Langeweile gab und gibt es in den konzertlosen Monaten diverser Lockdowns mehr als genug. Darum hat sich die Ibbenbürener Combo ein besonderes Konzept überlegt, um nicht nur das 27-jährige Bandbestehen mit Freunden und Fans gebührend feiern zu können, sondern vor allen Dingen auch die jüngst erschienene Band-Biographie vorzustellen. Eine große, interaktive Streaming-Show sollte in Ton und Bild durch fast 30 Jahre Bandgeschichte führen.
An den virtuellen Abspeergittern
Wer regelmäßig auf Konzerte geht, konnte sich schon am virtuellen Einlass wie in guten alten Zeiten fühlen. Wie beim VVK-Start für Rammstein, Die Toten Hosen oder die Ärzte brach das System des Anbieters „ISS.Show“ unter dem Ansturm der Fans zusammen. Und wie in guten alten Zeiten war die Stimmung vor den virtuellen Absperrgittern gut und bierselig. In den sozialen Medien zeigte man sich gegenseitig unterschiedliche Fehlermeldungen, machte Späße darüber, ob man einen Stempel brauche, um aus der Küche Bier zu holen und dergleichen mehr. Fast eine Stunde später als geplant startete das Vorprogramm und auch dieses konnten leider nicht alle Interessenten genießen, weil sie noch „vor der Halle“ standen. Dabei hatten die Veranstalter längst vor den Tücken der Server kapituliert und den Stream über andere Plattformen frei zugänglich gemacht.
Zur Einstimmung gab es exklusive Beiträge von Freunden und Weggefährten der Donots: Thees Uhlmann sang vom „Club 27“, Frank Turner radebrechte sich durch eine von Ingo Donot ins Deutsche übertragene Fassung seines Songs „Little Changes“. Danger Dan war ebenso dabei wie Dave Hause oder Nicholas Müller von Jupiter Jones. Ein Highlight war allerdings Matze Rossi, in dessen Ode an Vierbeiner („Du weißt immer, wie spät es ist“) seine Hündin Skadi mit Begeisterung einstieg. Musikalisch eine super Einstimmung, die überdrehte, berlinernde Moderation hätte man sich hingegen sparen können.
Konzert, Gespräch, Lesung
Dann ging es tatsächlich los. Nilz Bokelberg (ja, der Typ, der bei VIVA damals immer so genervt hat) las die Einstiegssätze aus der kürzlich erschienenen Band-Biographie, dann rockten die Donots die Bühne, als stünden sie vor realem Publikum. Nach zwei Songs zog es die Protagonisten bereits an einen Tisch zum launigen Interview. Was folgte, war ein ständiger Wechsel aus Lesung (wobei hier Ingo Neumayer, der Autor des Buches, las, nicht Bokelberg, der die Hörbuchfassung eingelesen hat und offen gestanden der bessere Vorleser ist), lockerer Gesprächsrunde und Konzert. Die Anekdoten aus der Bandgeschichte waren höchst unterhaltsam und die komplette Band präsentierte sich einfach grundsympathisch. Dennoch hätte es ruhig ein Leseblock weniger und dafür 2, 3 Songs mehr sein dürfen. Egal, die Fans, denen man dank Interaktiv-Ticket in die Wohnzimmer und Partykeller schauen konnte, waren mit Begeisterung dabei und feierten die gelungene Abwechslung im Corona-Alltag.
Man darf Zweifel anmelden, ob sich das interaktive Streaming-Modell im Punk durchsetzt – sobald wieder Gruppenschwitzen und Stagediven erlaubt ist, werden diese Formate ausgedient haben. Doch aus der aktuellen Situation haben die Donots das Beste herausgeholt. Und die Fans, die vergeblich gegen die Technik gekämpft hatten, dürfen sich mit ihren Zugangscodes die ganze Show im Nachhineinen ansehen.
Alle anderen können sich den Stream hier ausleihen.
Die Band-Biographie:
Ingo Neumayer: Die Geschichte der Donots. Heute Pläne, morgen Konfetti | Ventil Verlag | 30 Euro. Eine limitierte und signierte Hardcoverversion des Buches ist über den Shop der Band erhältlich.
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