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Der moderierende Affe
Foto: Francis Lauenau

Ein Wal schwimmt in der Emscher

03. Dezember 2010

Der MELEZ-Zug durchquerte ein letztes Mal das Ruhrgebiet - Rückblick Melez 2010 12/10

Vielleicht ist es ein Staffellauf der Kapitulation. Immer wieder tauchen die weißen Fahnenträger am Rand der Bahnstrecke zwischen Bochum und Oberhausen auf. Sie stehen am Bahnhof, sie laufen neben dem fahrenden Zug her, und oder sie sind wie im Spiel von Hase und Igel schon da, wo der Zug erst noch ankommen will. Es war die dreizehnte und letzte Fahrt des MELEZ-Zuges, der im Rahmen von RUHR.2010 einen Monat lang mobil gemacht hatte. Mobil im Sinne einer ständigen Bewegung zwischen den Städten des Ruhrgebiets, zwischen den Kulturen, zwischen den Künsten. Wie jede Fahrt zuvor hatte auch diese ein Oberthema. Diesmal lautet es schlicht: „Letzte Fahrt“. Ein Abschied, der die Zuschauer einlud, der Musik von Jim Campbell oder dem Traumschiff-Pianisten Jacek Kroon zuzuhören – oder im Medienwagen eine Sightseeingtour unter dem Titel „Landscapes of Glory – Beautiful Moments, but so schnell vorbei“ mit Schauplatz International zu unternehmen.
Ein Affe in kariertem Hemd und beigefarbener Hose hat sich ein Mikro zwischen die Reißzähne geklemmt und lenkt moderierend den Blick des Betrachters auf den vorbeihuschenden Grünstreifen am Gleisrand. Eine Topographie des Wildwuchses, die daran erinnert, wie im Ruhrgebiet die Natur früher industriell genutzte Flächen wieder zurückerobert. Die Blickregie des Primaten schärft die Wahrnehmung für diese Übergangsräume, in denen das Ruhrgebiet und sein Selbstbild metaphorisch Gestalt annehmen. Das „so schnell vorbei“ des Titels bezieht sich nicht nur auf den Blick aus dem Zug, sondern auch auf das Ende einer rumreichen Vergangenheit, das eine früher stolze und selbstbewusste Region nun zur Identitätssuche zwingt.

Kohlehalden konkurrieren mit Alpenpanoramen

Schauplatz international belässt es dabei nicht, sondern hat auf dem Seitenstreifen kleine theatrale Szenen arrangiert. Da schwimmt ein Wal im Emscherkanal. Am Malakowturm auf der früheren Zeche Unser Fritz in Wanne-Eickel reden ein Biologe und eine Frau über die Ruhr-Flora von Gänsefingerkraut über Honiggras bis zu Johanniskraut. Wenn eine riesige Kohlenhalde mit einem gemalten Alpenpanorama auf einer Staffelei konkurriert oder ein Berg mit Autowracks zum Naturereignis stilisiert wird, dann erstrahlen die Überbleibsel der alten Industrie in Erhabenheit und Größe. Der Affe schwärmt die Landschaft zum „Glücksgebiet“ für Primaten zurecht und lenkt den Blick des Betrachters, bis man glaubt, überall nur noch theatrale Szenen zu sehen. Eine fröhliche Tupperwareparty im Grünen huscht schließlich vorbei, und ein Gefühl wie in Federico Fellinis Film „Amarcord“ stellt sich ein: Vielleicht sitzt man im falschen Zug. Doch Schauplatz International haben im Zug mehrere Computer aufgestellt, die es erlauben, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen und die kryptischen Mails von lars wollen kein Ende nehmen. In Oberhausen ist die Exkursion durch die Seelenlage des Ruhrgebiets dann zu Ende, das noch nicht kapituliert hat und es hoffentlich auch nicht tun wird.

www.trailer-ruhr.de/Melez-Eindruecke

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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