Das Leben der Cyborgs ist schön: Sie sehen Dinge, die wir Menschen niemals glauben würden, sie träumen von elektrischen Schafen und altern niemals. Und was machen die Kohlenstoff-Einheiten? In deren Welt schwirren Milliarden von Datenfetzen durch den Raum, Bots entschlüsseln die und Menschen wollten immer schon Cyborgs werden. Eleanor Bauer und Chris Peckwollen im Bochumer Schauspielhaus neue Beziehungen zu Maschinen aufbauen und das Chaos und die Absurdität feiern. „New Joy“ ist ein Cyber-Acapella-Musical für Smartphone-Süchtige mit Gesang, Tanz und digitalen Musikprozessen, auch das Publikum kann teilnehmen, was die Unvorhersehbarkeit des Stückes im „Big Data“-Mikrokosmos erhöht. Aber Achtung: Nur bis Mitte März kann das performative Spiel mit den Theater-Trojanern in den Kammerspielen mitgemacht werden.
In Oberhausen redet Technocandy (das sind Golschan Ahmad Haschemi, Frederik Müller und Ensemblemitglied Banafshe Hourmazdi) erst einmal lieber über Arbeit. Anders als bei Cyborgs muss der biologische Körper arbeiten, um verdauen zu können. Papa sagt dazu: „Da krieg ich das Kotzen!“ Tick, Trick und Track sagen dazu: „Möchtest du lieber als süße Maus oder als hässliche Hexe arbeiten?“ Tic Tac Toe sagen dazu: „Du bist die allergeilste Pussy, hast für jeden einen Bussi. Doch hinter deinem Rücken nennen sie dich dumme Tussi.“ „Schaffen“ ist ein Stück über die Realität der Gesellschaft, in der wir alle leben. Und die ist kapitalistisch, rassistisch, sexistisch, transfeindlich und voller Gewalt.
Und damit bleiben wir zwar beim Thema, lockern die inhaltliche Tiefsee aber mit einer Hommage an die fast vollendete Karnevalszeit auf. Voll krass ist der Kontrast zur Totschlägerin aus dem Revier. Und: Im kürzesten Monat des Jahres hat die Dortmunder Uraufführung den längsten Titel. Und: In „Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte“ redet man eben Tacheles. Sicher werden irgendwann Cyborgs auch die Huren ersetzen, aber bis dahin muss sich Omma, Ruhrpottikone und Ex-Wirtschafterin im Puff in Essen-Rellinghausen (und eben Totschlägerin) im schicken Berlin gegen die Huren-Hipness aus aller Welt behaupten. Die todkomische musikalische Komödie (Regie: Gerburg Jahnke) mit zwei unerschrockenen Heldinnen spielt auch dort im ältesten Gewerbe der Welt.
„New Joy“ | Sa 23.2.(P) 19.30 Uhr | Kammerspiele Bochum | 0234 33 33 55 55
„Schaffen“ | Fr 8.2.(P) 19.30 Uhr | Theater Oberhausen | 0208 857 81 84
„Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte“ | Sa 16.2.(UA) 19.30 Uhr | Theater Dortmund | 0231 50 27 222
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Der Held im Schwarm
„Swimmy“ am Theater Oberhausen – Prolog 10/24
Wüste des Vergessens
„Utopia“ am Theater Oberhausen – Prolog 09/24
„Es ist ein Weg, Menschen ans Theater zu binden“
Regisseurin Anne Verena Freybott über „Der Revisor kommt nach O.“ am Theater Oberhausen – Premiere 06/24
„Zero Waste“ am Theater
Das Theater Oberhausen nimmt teil am Projekt Greenstage – Theater in NRW 06/24
Von der Straße ins Theater
„Multiversum“ am Theater Oberhausen – Prolog 04/24
Die ultimative Rache vor weißer Schleife
„Die Fledermaus“ mit Schauspielstudierenden an den Kammerspielen Bochum – Auftritt 04/24
Mackie im Rap-Gewand
„MC Messer“ am Theater Oberhausen – Tanz an der Ruhr 04/24
„Im Gefängnis sind alle gleich“
Regisseurin Katharina Birch über „Die Fledermaus“ an den Bochumer Kammerspielen – Premiere 03/24
Bakterien im Spa
„Ein Volksfeind“ am Theater Dortmund – Prolog 02/24
Vom Elvis zum Cowgirl
„The Legend of Georgia McBride“ am Theater Oberhausen – Prolog 02/24
„Die Geschichte wurde lange totgeschwiegen“
Ebru Tartıcı Borchers inszeniert „Serenade für Nadja“ am Theater Oberhausen – Premiere 01/24
Unendliche Möglichkeiten
„I wanna be loved by you“ am Schauspielhaus Dortmund – Prolog 10/23
Stimme gegen das Patriarchat
„Tabak“ am Essener Grillo-Theater – Prolog 11/24
Krieg und Identität
„Kim“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 11/24
Liebe ist immer für alle da
„Same Love“ am Theater Gütersloh – Prolog 11/24
„Ich glaube, Menschen sind alle Schwindelnde“
Regisseurin Shari Asha Crosson über „Schwindel“ am Theater Dortmund – Premiere 11/24
Mentale Grenzen überwinden
„Questions“ am Münsteraner Theater im Pumpenhaus – Prolog 10/24
Bollwerk für die Fantasie
Weihnachtstheater zwischen Rhein und Wupper – Prolog 10/24
Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24
„Was dieser Mozart gemacht hat, will ich auch machen“
Komponist Manfred Trojahn wird 75 Jahre alt – Interview 10/24
„Hamlet ist eigentlich ein Hoffnungsschimmer“
Regisseurin Selen Kara über „Hamlet/Ophelia“ am Essener Grillo Theater – Premiere 10/24
Das gab es noch nie
Urbanatix im Dezember wieder in Essen – Bühne 10/24
Die Zwänge der Familie
„Antigone“ in Duisburg – Prolog 09/24
Das schöne Wesen aller Dinge
Festival Spielarten 2024 in NRW – Prolog 09/24