„Ganz, ganz wichtig“, ruft ein junger Aktivist durch das Megaphon. „Sonst haben wir gleich alle die fucking Scheiße am Hals!“ Die Menschen, die sich an der langen Schlange für die Essensausgabe anstellen, blicken zu ihm. Dann die Info: Es gab einen Fehler in der Küche. Irgendwie kamen doch glutenhaltige Nudeln in den Kochtopf. Der Sanitäter hält sich bereit.
Alles klappt auch bei der Bewegung Fridays for Future nicht, die diesen fünftägigen Kongress organisiert hat. Diskussionen und Demonstrationen statt Sommerferien. Die Resonanz und die Zahlen sind beeindruckend: 1.700 TeilnehmerInnen aus ganz Deutschland, mehr als 140 Workshops und Podiumsdiskussionen und natürlich Aufmerksamkeit in allen großen Medien. In der Tagesschau landeten sie sogar noch vor dem mächtigsten Klimawandel-Leugner, Donald Trump, wie Helena Marschall eine der Organisatorinnen stolz verkündet. Da liegen bereits fast zwei Tage des Kongresses hinter ihr.
Es ist Donnerstagabend. Die jungen FestivalbesucherInnen lassen den langen Tag ausklingen. Wer nicht für das Abendessen ansteht, malt Transparente, lässt sich in einer Hängematte baumeln oder tanzt gelassen zu den K.I.Z.-Zeilen, die aus den Boxen dröhnen: „Und wir singen im Atomschutzbunker: Hurra, diese Welt geht unter!“ Damit dieser Planet eben doch keinen Klimakollaps erleidet, kriechen sie hier bereits ab sieben Uhr aus dem Zelt. Dann geht es hier mit dem Frühstück los. Für FrühaufsteherInnen steht sogar um sechs Uhr Yoga auf dem Programm. Und das Rauchen ist auf dem Kongressgelände natürlich untersagt.In Zelten mit ironischen Namen wie Peter Altmeier-Area, von der Leyen-Lobby oder Scheuers Mautstation referieren eingeladene ExpertInnen, wie der Vorsitzende des Rates der Wirtschaftsweisen, Christoph M. Schmidt. Er plädiert für eine CO2-Steuer von 35 Euro pro Tonne, später kann es mehr werden. Die SchülerInnen halten dagegen und fordern 180 Euro, sofort. Seit Beginn der Fridays for Future-Bewegung haben die AktivistInnen einen regen Austausch mit der Wissenschaft angestoßen. So sind auch beim Kongress ForscherInnen aus Berlin oder des Wuppertal Instituts zu Gast. Die für den Abend geplante Debatte zum Thema „Klimanotstand & Konsum vs. Systemkritik“ ist, anders als im Programm angekündigt, in die Nacht verschoben. Das wird auf der Leinwand an der großen Bühne projiziert. Alles ist durchorganisiert. Auch der Auftritt von Mal Elevé, der gleich im Revierpark Wischlingen singen wird. Während die meisten Kongress-TeilnehmerInnen vor der Bühne auf das Konzert des ehemaligen Sängers der aufgelösten Band Irie Révoltés warten, versammelt sich ein Grüppchen. Sie wollen den Die-in für den anstehenden Freitag proben und skandieren Slogans wie „Sie zerstören unsere Umwelt / nur für ein Batzen Geld“. Schließlich zappelt dann doch nach langem Warten Mal Elevé auf der Bühne und singt Songs über das Massengrab Mittelmeer oder alte Hits wie „Antifaschist“. Dass das Konzert schließlich mit so viel Verspätung losging, ist nicht der Organisation der jungen AktivistInnen verschuldet. Mal Elevé: „Es lag an der Bahn.“
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