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Der kleine Medicus – vor diesem Doktor muss man keine Angst haben
Foto: Medicus GmbH

"Für eine Demokratisierung von Wissenschaft"

01. Februar 2010

Dietrich Grönemeyer über das Feld zwischen Kultur und Medizin - Über Tage 02/10

trailer: Herr Grönemeyer, was hat RUHR.2010 mit Wissenschaft zu tun?
Dietrich Grönemeyer:
Die Wissenschaft bestimmt ganz wesentlich die Kultur, in der wir leben. Die Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstitute der Metropole Ruhr leisten in den Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften Außergewöhnliches. In der Medizintechnik haben wir eine führende Position. Wichtig ist dabei die Interdisziplinarität der Projekte.

Die Verbindung von Kultur und Wissenschaft ist dem Laien nicht sofort verständlich.
Nehmen Sie beispielsweise die Medizin. Kulturelles Leben bestimmt in einem hohen Maß, wie gesund wir leben. Diesen Zusammenhang greift die Medizin oft zu wenig auf, sie versteht sich aus meiner Sicht viel zu reduktiv auf die Organe oder Symptome. Dabei wissen wir längst, dass jeder Mensch ein ganzheitliches Wesen ist.

Wie populär soll Wissenschaft sein?
Eine Aufgabe der Wissenschaft besteht darin, öffentlich zu vermitteln, was in den Elfenbeintürmen der Universitäten geschieht. Wir Wissenschaftler neigen ja dazu, uns zu kompliziert auszudrücken und teilweise selbst nicht mehr zu verstehen, außerhalb der jeweiligen Fachgebiete wird einem das oft sehr schnell deutlich. Die Wissenschaft sollte ihre Anliegen der Gesellschaft präzise und klar vermitteln, um Interesse an der Bedeutung wissenschaftlicher Fragestellungen für unsere gesellschaftliche Entwicklung zu wecken. Dies wäre eine Form der Demokratisierung von Wissenschaft.

Begegnet Ihnen manchmal der Vorwurf, unseriös zu sein?
Es gibt im Wissenschaftsbetrieb wie in anderen Bereichen Abgrenzungen und Unverständnis. Häufig wird nicht verstanden, dass ich sowohl die strenge Wissenschaft als auch die populärwissenschaftliche Vermittlung für wichtig halte, mir geht es um ein aufklärerisches Wirken in der Gesellschaft: Je mehr ein Mensch weiß, umso gesundheits- und gesellschaftsbewusster wird er sich verhalten.

Sie erreichen die Öffentlichkeit auch über den kleinen Medicus. Zählt Ihr Musical noch zum Bereich Wissenschaft?
Ich versuche, den Kindern im Alter von sechs bis hundert Jahren zu erklären, dass man vor dem Arzt keine Angst haben muss und dass man als Patient selbst handeln kann. Wann und wie kann ich mich mit Hausmitteln selbst behandeln? Wann muss ich zum Arzt? Was macht der Arzt? Wenn der Motor am Auto stottert, fahren wir in die Werkstatt. Wenn das Herz stottert, bekommen wir Panik. In der Bevölkerung gibt es viel zu wenig Wissen über den Körper, das Zusammenwirken von Körper und Geist, über Medizin und Gesundheit.

Haben Sie selbst manchmal Angst vor dem Arzt, dem Schulmediziner?
Ich habe Angst vor denen, die immer zu schnell medizinisch intervenieren. Bei Notfällen ist Handeln natürlich erforderlich. Aber es gibt sowohl Schulmediziner wie auch Naturheilkundler, die nicht auf die Selbstheilungsfähigkeiten des Körpers bauen. Die schnell verordnete Pille favorisiere ich nicht. Der Patient muss informiert werden und bei Entscheidungen mitgenommen werden.

Gibt es noch den Krieg zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde?
Leider ja. Wir können nicht von einer einheitlichen Medizin reden. Dabei wird immer wieder vergessen, dass die Schulmedizin aus der Naturheilkunde entstanden ist. Penicillin wäre nicht entdeckt worden, wenn nicht jemand versucht hätte, Schimmelkäse auf eine Wunde zu legen. Früher gab man bei Schmerzen den Saft der Weidenrinde, heute benutzen wir das gleiche Mittel in chemisch gewonnener Form, es heißt inzwischen Acetylsalicylsäure und ist eines der am meisten verbreiteten Schmerzmittel geworden. Insofern ist es traurig, dass es noch diesen alten Streit gibt. Genauso traurig ist es, dass die Körpermedizin so wenig auf die psychosomatischen Aspekte achtet, die Bedeutung einer ganzheitlichen Medizin zu wenig sieht.

Welche Wünsche haben Sie?
Es wäre schön, wenn im Ruhrgebiet ein nationales Gesundheitszentrum entstehen würde, an das sich jeder wenden kann, um über Krankheiten und Behandlungsformen sowie den neuesten Stand der Wissenschaft informiert zu werden. Solch ein Zentrum wie das National Institute of Health in den USA benötigt Deutschland. Ein derartiges Zentrum wäre auch eine dringend notwendige Koordinierungsstelle für die deutsche Forschung und Wissenschaft. Wir müssen nicht ständig das Rad neu erfinden. Ein anderer Wunsch: Kultur und Wissenschaft sollten nicht als zwei getrennte Bereiche betrachtet werden. Jede Kultur braucht eine begeisterte, fröhliche Wissenschaft, die wiederum von der Kultur inspiriert ist.

Stehen die beiden Grönemeyer-Brüder also einmal zusammen auf der Bühne?
Wir auf der Bühne zusammen? (lacht) Das habe ich mir noch nicht überlegt. Nun, wir sind ja schon quasi gemeinsam auf der Bühne, und zwar im gemeinsamen Geiste.

LUTZ DEBUS

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