Er ist smart, souverän und keiner von denen, die Gags bei anderen klauen: Florian Schroeder ist „Offen für alles und nicht ganz dicht“, so der Titel seines Programms, mit dem er am 17.2. im Stratmanns Theater in Essen auftritt. Aber was heißt schon auftreten? Er ist einfach präsent – und bleibt bei all seinen phänomenalen parodistischen Talenten immer er selbst. Der seit 2006 in Berlin lebende Freiburger meint: „Jeder hat das Recht, verarscht zu werden“. Und wenn er „jeder“ sagt, meint er auch sich selbst – oder Ottfried Fischer und Dieter Nuhr. Nur zum Beispiel.
Dabei hat sich der 1979 geborene Kabarettist einen ziemlich unbequemen Platz zwischen den Stühlen der analogen und digitalen Welt ausgesucht: „Ich werde Digi-Immi und Native zugleich sein. Ich werde mich Digitalien so nähern, wie ich mich meinem Leben nähere: als Tourist. Es ist die einzige Rolle, die ich kenne und wirklich beherrsche.“
Restlos begeistert darf man auch von Gayle Tufts’ Gastspiel am 9.2. in der Stadthalle in Mülheim sein: In „Some like it Heiß!“, so der Titel der neuen Soloshow mit Pianist, zeigt sich die 1960 in Brockton/Massachusetts geborene und seit 1991 in Berlin lebende Vollblut-Entertainerin in der Blüte ihrer Jahre. Auf Englisch klingt es entschieden netter. „The Change of Life“ heißen die Wechseljahre einer Frau. Und wenn Tufts aus den diversen Begleitumständen dieses Lebensabschnitts ein Programm strickt, kann man sicher sein, dass selbst Männer Augen und Ohren spitzen, um ja nichts zu verpassen. Begleitet von dem „very begabten“ Komponisten und Klavierspieler Marian Lux aus Brandenburg und unter der auf den Punkt gebrachten Regie von Melissa King macht sie die Bühne zum Schauplatz ihrer in allen Regenbogenfarben schillernden Wechselwelt, bestückt mit deren seltsamen Erscheinungen wie Hitzewallungen und den diversen Überlebenstechniken – eine zum Schreien komische Abrechnung mit sämtlichen handelsüblichen Stereotypen rund um das Tabu-Thema. Dabei lässt sie nichts aus, um die Umstellung des Körpers mit den ihr eigenen Mitteln anschaulich zu machen, intoniert im Brecht/Eisler-Stil einen Song über die Eierstock-Arbeiterinnen, die ihren Job an den Nagel hängen, und landet am Ende mit elegantem Schwung auf dem Bühnenboden. Wie nebenbei erweitert sie die Szenerie um den Blick von außen auf ein Land, das eine Ex-Kommunistin und Physikerin zur Bundeskanzlerin gewählt hat. Die ingeniöse Entertainerin beherrscht die hierzulande rare Kunst, persönliche Erfahrungen in verführerisch glitzernde Showeinlagen zu verpacken, ohne dass deren Wahrheitsgehalt verloren geht. So lässt sie im schönsten Denglish herbe Abschiede Revue passieren, erzählt vom Tod ihrer Mutter und der von Stürmen begleiteten Seebestattung. Sie singt eine zu Herzen gehende Ballade vom Heimweh und von Michelle Obamas Oberarmen. Dabei setzt sie die Zuschauer einem Wechselbad der Emotionen aus, die eines gemeinsam haben: Sie fühlen sich echt an. Anders gesagt – Gayle Tufts bereitet allen eine „real good time“, eine wirklich gute Zeit.
Eben die kann man auch mit Martin Zingsheim verbringen (am 16.2. im Hagener Hasper Hammer). „Opus Meins“ heißt sein erstes Solo-Programm, mit dem er sich zu Wort gemeldet hat, inklusive unüberhörbarer Zukunftsmusik, die sich mal ins Ohr schmeichelt, ein andermal dissonante Töne erzeugt , genau wie im richtigen Leben. An dem orientiert sich der Kölner Kabarettist mit Texten, die unter die Haut gehen und voller Witz und Hintersinn sind. Dass man darüber auch noch herzhaft lachen kann, ist ein kleines Wunder – schwört wie immer hoch und heilig Ihre stets über Tage lebende
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