Kinder lachen 400 Mal am Tag, Erwachsene dagegen nur 15 Mal. Im Durchschnitt insgesamt sechs Minuten. Viel zu wenig, sagen die Lachforscher. Wobei man diesen auch ohne empirische Beweisführung Glauben schenken darf. Dieter Nuhr bezeichnet sich selbst als humoristische Pflegekraft – gewiss wegen der nachgewiesenen heilenden Wirkung des Lachens. Oder des Lächelns, das es offenbar in 18 verschiedenen Varianten gibt, wovon nur eine als echt gilt.
„Das unnachahmliche Lächeln des Dieter Nuhr“ könnte eine Komödie heißen, in der der Mann aus Düsseldorf die Hauptrolle spielt. Da geht es dann um politische Aufklärung nach 3,7 Milliarden Jahren Evolution, um Hirngespinste, Vegetarier, Korruption, Spießer und die neue S-Klasse. „Nuhr ein Traum“ heißt das Programm, mit dem der Kabarettist am 3. in der Europahalle in Castrop-Rauxel und am 4. in der Emscher-Lippe-Halle in Gelsenkirchen seine therapeutische Mission erfüllt.
Keinerlei Hilfe benötigt dagegen das „Suchtpotenzial“. Dahinter stecken Ariane Müller und Julia Gámez Martin, die sich 2011 am Ulmer Theater kennengelernt haben und innerhalb weniger Monate einen Abend auf die musikalischen Beine gestellt haben, dessen aphrodisierender Wirkung sich kaum ein Zuschauer entziehen kann. „Alko-Pop, 100 Vol. %“, so der Titel des Programms, das am 24. im Oberhausener Ebertbad zu bestaunen ist, wurde in diesem Jahr mit dem Kleinkunstpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet. Da macht ein weibliches Duo vor, wie man mit originellen Texten, tollen Stimmen, musikalischer Brillanz und vollem Körpereinsatz einen subtilen Selbstheilungstrip zelebriert: Vorsicht: Suchtfaktor.
Keine Frage: als Kleinkünstler sollte man nicht unter Gelotophobie leiden, also keine Angst vor dem Ausgelachtwerden haben. Im Gegenteil: Man muss es provozieren. Wie beispielsweise Helmut Schleich, der seit 30 Jahren auf Deutschlands Bühnen steht und mit Hilfe seiner phänomenalen Verwandlungskunst eine ganze Meute unterschiedlicher Figuren dem Ausgelachtwerden aussetzt.
„Ehrlich!“, so das sechste Programm des aus München kommenden Kabarettisten, mit dem er am 24. im Dortmunder Cabaret Queue und am 25. auf der Bühne Pepperoni/Textilwerk in Bocholt gastiert. Da geht es um Vertrauen in die Vertrauensvampire in Bayern, Berlin und Brüssel im Allgemeinen und um Leute wie Heinrich von Horchen im Besonderen: ein Gesangslehrer, der schon mal bessere Zeiten gesehen hat.
Scharf und angriffslustig referiert der streitbare Polit-Polterer über die Demokratiedefizite in der EU und die Kulturgeschichte der Spionage. Und er holt den großen, verblichenen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß zurück auf die Erde, in dem er schonungslos mit der bayerischen Selbstherrlichkeit abrechnet und unerhörte Einsichten in dessen Gefühlswelt preisgibt. Geradezu gespenstisch wird es, wenn der Mann sich Schleichs bemächtigt, unversehens in seinen Körper schlüpft, und zwar „nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Alltag“.
Das Schlimmste dabei: Sogar sein Körper verändert sich. Die Kragenweite wächst von Größe 44 auf 48, der Hals wird kürzer. Der Strauß-Wiedergänger echauffiert sich über die desolate Lage der CSU und über den Versuch von Alt-Papst Benedikt, ihn aus Schleichs Körper auszutreiben („eine bodenlose Unverschämtheit“). Eines steht fest: Beim Besuch dieser Aufführungen lachen Sie mehr als 15 Mal – verspricht hoch und heilig die stets über Tage lebende
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