trailer: Herr Knust, fangen wir mal autobiographisch an. Wie ist der Spaß in Sie reingekommen?
Bruno Knust: Schon im Kindergarten habe ich Theater gespielt. Wegen meiner tiefen Stimme musste ich immer Zauberer und Räuber spielen. In der Schule bekam ich dann noch die Rolle des Hausmeisters dazu. Mein Vater war sehr schlagfertig. Der ist leider sehr früh gestorben. Von dem gibt es die Legende, dass er beim Sechs-Tage-Rennen die Lach- und Schießgesellschaft traf und die ihn vom Fleck weg wegen seines Witzes engagieren wollten. Mein Bruder war nach dem Tod meines Vaters mein Vorbild. Der war auch sehr schlagfertig. Leider ist er dann mit dem Motorrad verunglückt. So bin ich ganz allein übrig geblieben. Mit 15 habe ich in einer Jugendkabarettgruppe gespielt. Das waren alles Alt-68er mit anspruchsvollen Texten. Nur lachte da keiner drüber. Die haben mir Texte geschrieben, die ich auswendig lernen sollte. Das hab ich nicht gemacht, hab das frei wiedergegeben – und die Leute haben plötzlich doch gelacht.
Mit 15 Jahren sind Sie Kabarettist geworden?
Ja und nein, ich habe zwar schon regelmäßig bei den 68ern mitgespielt, aber auch erst mal die Schule fertig gemacht, habe dann in Norddeutschland in einem Hotel gearbeitet. Nach anderthalb Jahren bin ich wieder zurück nach Dortmund. Am Glühweinstand am Weihnachtsmarkt traf ich einen Kollegen von der alten Truppe, der war inzwischen Filmproduzent, der engagierte mich als zweiten Räuber für die Bremer Stadtmusikanten. Er hat mich nach München mitgenommen und ich habe dann neben dem Film für Zeichentrickfilme Synchronjobs gemacht.
Bruno Knust ist ein Bayer?
Nein, da bin ich ja nur drei Monate geblieben, das war nicht ansteckend. In Dortmund habe ich danach ein Jahr Kindertheater gespielt und mich dann selbstständig gemacht. Ich habe zwar noch studiert, aber meinen Beruf nie ausüben müssen. Ab dem zweiten Semester knallte meine Bühne so los, dass ich bundesweit gespielt habe. Ohne dass ich es wusste, machte ich Kabarett für Kinder. Aber ich hatte manchmal mehr Eltern als Kinder im Publikum. Über die Schiene Jugendtheater bin ich zu dem gekommen, was ich heute mache. Beim Jugendtheater gibt es ein Verfallsdatum.
Entweder man hört auf oder man wird zum Peter Lustig?
Richtig. Bei Kollegen hab ich gesehen, wie die das ganze Stück einen Motorradhelm aufhatten, und als sie den abnahmen, sah man nur Pläte. Es gibt wohl für Schauspieler nichts Schlimmeres, als beim Kindertheater hängen zu bleiben.
Sie sind ja nicht nur Kabarettist, sondern auch Theaterbetreiber?
Diese Butze hier, das Theater Olpketal, hatte ich schon lange gemietet. Der jetzige Saal war Probebühne, die Garderobe war Büro. 1989 haben wir das Theater aufgemacht. Zeitgleich habe ich die Günna-Figur erfunden.
Ist Günna eigentlich politisch oder nur Volkstheater?
Ich nenn das Erfolgstheater. Politisch? Hm, das politische Kabarett ist ja zum großen Teil kaputtgegangen. Bis heute noch. In Folge der ersten sozialliberalen Koalition gab es doch das große Kabarettsterben. Dieter Hallervorden, der ja vorher politisches Kabarett gemacht hatte, machte nur noch Nonstop-Nonsens. Die ursprüngliche Lach- und Schießgesellschaft löste sich auf. Das Kom(m)ödchen mit Lore Lorentz ging kaputt. Ich improvisiere mit Günna sehr viel, greife deshalb auch aktuelle politische Themen auf. Aber ich mache deshalb noch längst kein politisches Kabarett.
Machen Sie Comedy?
Nein, auf keinen Fall. Wer mir mit so einer Frage kommt, hat bei mir keine guten Karten. Comedy ist für mich ein Schimpfwort. Es ist noch nie so einfach gewesen wie heute, sich auf eine Bühne zu stellen und halbwegs lustige Geschichten zu erzählen. Ich kann mir im Netz mit einem Klick alle Witze dieser Welt herunterladen.
Sind Günna und Bruno zwei verschiedene Personen?
Ja. Obwohl? Es lässt sich nicht vermeiden, dass es da mit der Zeit Angleichungen gibt. Wie bei einem älteren Ehepaar. Wie bei einem Hundehalter und seinem Hund. Die ähneln sich mit der Zeit auch immer mehr. Auch charakterlich gibt es Überschneidungen. Wir legen zwar den Finger auf die Wunde, was uns oft irrtümlich als Nörgeln ausgelegt wird. Aber wir haben eine positive Grundhaltung. In jeder Hölle gibt’s ein gemütliches Plätzchen, und das sucht man sich dann eben.
Uli Hoeneß sagte: „Dortmund ist eine relativ regionale Sache.“ Sind Sie auch eine regionale Sache?
Nein, nicht unbedingt, ich bin bundesweit unterwegs. Aber natürlich bin ich am liebsten im Ruhrgebiet. Wegen was verstecken wir uns im Ruhrgebiet? Bevor ich zu den Bayern gehe und Uli Hoeneß das Maß aller Dinge wird, bleibe ich auch gerne eine regionale Sache.
Fußball ist für Sie auch immer Thema?
Na klar. Das ist ja das einzige, was geblieben ist. Kohle, Stahl, ist ja alles fertig. Der Hype auf den BVB, der im Moment herrscht, ist aber zum Teil den Medien geschuldet. Als Reporter wachen Sie morgens vor einem leeren Blatt Papier auf und müssen es vollkriegen. Da ist der BVB schon ein dankbares Thema. Andererseits gibt es jetzt viele Fans, die vom BVB, von seiner Geschichte und seiner Bedeutung für die Stadt keine Ahnung haben.
Sie sind ständig auf der Bühne. Sind Sie ein Arbeitstier?
Nein, was ich mache, ist keine Arbeit. Wenn mich jemand fragt, warum ich das hier mache, sag ich immer: „Aus Angst vor Arbeit!“
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