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„My imaginary friend is with me“, ein choreografische Solo von Jyrki Karttunen
Foto: Schauspielhaus Bochum

"In New York wissen alle, wo Bochum ist"

01. Juni 2009

Bochums Intendant Elmar Goerden über sein neues eigenes Festival K15 - Premiere 06/09

Eine Antwort auf die kommende Kultur-Sitzgruppe auf der A40? Für 12 Tage am Ende der Spielzeit wird das Bochumer Schauspielhaus für Gäste geöffnet. Ein neues internationales Theaterfestival mit Sprechtheater, Tanz, Performance, Figurentheater und Musik auf allen drei Bühnen. Zu sehen sind 18 Produktionen. Darunter Superstar Peter Sellars mir seiner „Othello“-Version. Aber auch experimentelle Formate unbekannter Größen. Und alles ohne Kulturhauptstadt-Bonus. Nur für Bochum und die Region. trailer sprach mit Intendant Elmar Goerden.

trailer: Herr Goerden, Bochum hat ein neues Festival. Der Intendant wird dafür zur Hagebutte?
Elmar Goerden:
Hagebutte? Ja (lacht). Der Intendant geht in den Wald. Das war in der Tat ein lange gehegter Wunsch, und wir haben dafür einen Rahmen gesucht. Wo kann man Sachen machen, bei denen die Genregrenzen, wenn schon nicht gesprengt, doch zumindest ein bisschen verschoben werden? Ich werde mit meiner Truppe nachts in einem Wald verschwinden, und die Zuschauer werden mit Bussen hinterherfahren. Die können sich dann um Mitternacht ihren eigenen Weg suchen und ihr eigenes Theater irgendwie zusammenstellen. Wir haben uns gewünscht, einerseits Gäste einzuladen, die einen künstlerisch interessieren, weil sie vielleicht Spuren verfolgen oder sich aus Spuren nähren, die man selbst hat oder selbst schon dran gearbeitet hat, andererseits das Festival dazu nutzen, Sachen zu produzieren, die wir halt nicht immer stemmen können. Ich kann das ganze Ensemble nicht dauernd in den Wald verfrachten.

Warum macht ein Stadttheater überhaupt ein Festival?
Die Antwort ist: Warum nicht? Man sollte die Festivals nicht diesen Satelliten überlassen. Wir haben ja zweimal innerhalb der RuhrTriennale mitgewirkt, aber nur insofern, dass wir zur besseren Garage wurden, zu einer Garage, in die teure Wagen gestellt wurden. Das möchte ich eigentlich nicht mehr machen. Ich möchte ein Festival machen, das gar nicht krampfhaft auf überregionales Publikum schielt, K15 machen wir für uns und unser Publikum. Nicht dass man sagt, wir machen hier ordentlich Repertoiretheater und dann die Schotten dicht, und dann machen wir mal was ganz anderes. Das ist ja nicht der Sinn der Sache. Ich möchte, dass man das Festival nutzt für starke Eigenproduktionen, die auch vom Ensemble des ganzen Schauspielhauses gestaltet werden. Es ist also kein Zufall, dass wir mit „Sein oder Nichtsein“ eröffnen, ein Stück über Polen, das der Henner Kallmeyer macht. Oder die Aktion von Marina Frenk, die hier bei uns im Ensemble ist und mit ihrer Band Leik Eick die Metamorphosen von Ovid bearbeitet. Das ist eine crazy Kombination aus einer anarchischen Band, die man nirgendwo verorten kann und einem gewaltigen Text. Man wird sehen, was dabei rauskommt. Es ist zwar strapaziös kurz vor der Sommerpause, aber man will sich eben noch einmal den Kopf durchblasen lassen.

Peter Sellars ist ein Headliner. Ist der nicht ziemlich teuer?
Man strickt kein Festival um Peter Sellars herum. Sein „Othello“ ist nur ein Programmpunkt. Wir hatten einen persönlichen Kontakt zu Philip Seymor Hoffman, der da den Jago spielt, haben ihn in New York besucht, und dann war der ganz angetan, hier zu spielen. Die wissen dort alle, wo Bochum ist. Und das ist gar nicht so exorbitant teuer, wie man immer denkt. Wir sind allerdings Koproduzenten mit den Wiener Festwochen zusammen. Alleine könnten wir so etwas natürlich nicht machen, man braucht schon Partner. Ich finde das aber gerade gut, dass man jetzt sagt, Peter Sellars müsse man doch eigentlich einem großen, finanzstarken anderen Organ überlassen. Aber das kriegen wir eben selber gebacken. Und das Nebeneinander von Leuten, die kein Aas kennt und denen, die jeder kennt, das finde ich gerade das Interessante an K15.

Warum muss man heute die Welt verleugnen?
Das finde ich ganz wichtig. Ich habe zunehmend das Gefühl, dass wir immer mehr auf Menschen treffen, die uns die Welt auf eine bestimmte Art und Weise zeigen und wir schnell bereit sind, das so als gegeben zu akzeptieren. Nehmen wir nur einmal die Bankenkrise, die nur deshalb entstanden ist, weil uns bestimmte Leute eine Zeit lang erzählt haben, dass das alles so geht. Ich finde, dass man da bei seinem eigenen Wirklichkeitssinn gepackt werden soll bei diesem Festival, und dass man sich sagt, Gegenwart ist eine Sache, die man selber in den Griff kriegen kann. Und dass man die Bilder, die man hat von dieser Welt, nicht Leuten überlassen soll, die damit Geschäfte machen. Theater soll die Welt nicht bedeuten, sondern sie deuten und verleugnen. Dass jeder dem Geschehen was Eigenes entgegensetzen soll, statt alles aus der Zeitung zu nehmen. Das ist wichtig.

Sind eigene Festivals die Zukunft der Stadttheater, müssen die sich so weit verändern?
Das weiß ich nicht. Ich merke nur, dass ich Lust habe, so etwas zu tun. Natürlich bin ich einer, der zutiefst an das deutsche Stadttheatersystem glaubt, aber andererseits darf man auch nicht so tun, als sei das alles in Erz gemeißelt. Wir müssen uns immer wieder überprüfen. Wir haben ja hier ein paar Erfahrungen gemacht mit dem „Ohne Alles“-Festival und gemerkt, dass es noch eine andere Form der Anwesenheit im Theater ist für das Publikum, wenn jeder weiß, dass er drei Tage nicht nur abends zwei Stündchen, sondern viel Zeit am Theater verbringen kann. Man kann von da nach da gehen, man kann die Vorstellung schnell wechseln. Man kann schon mittags was gucken oder spät nachts. Das verändert die Wahrnehmung, und ich finde, das tut gut. Natürlich entwickelt sich das, aber für die Zukunft bin ich der Falsche, den man fragen kann. Das werden wir sehen. Ich weiß natürlich, dass das Bochumer Schauspielhaus ein paar Dinge einfach zu erfüllen hat. Ich bin dankbar für die drei Spielstätten, aber die müssen bespielt sein. Das ist also eine Sache von Standbein und Spielbein. Die Gefahr ist, dass man vor lauter Standbein das Spielbein vergisst oder verkümmern lässt. Da waren wir auch nicht immer ganz frei von.

Hat 2010 noch eine Bedeutung für Sie?
Ja klar. Erst einmal ist das noch eine halbe Spielzeit 2010, die ich da mache. Und dann hat uns der Kulturhauptstadtgedanke doch ein bisschen beflügelt. Ich habe gesagt, jetzt lasst uns nicht auf den 1. Januar warten, wo wir dann alle aus dem Stand Kosmopoliten oder Europäer werden sollen, wir fangen jetzt damit an, den Tellerrand zu verschieben. Europa sollte aber bis New York oder Korea gehen. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich meine ganze künstlerische Energie aufs Kulturhauptstadtjahr verlege, das fände ich auch töricht. Hier ist ein Stadttheater. Man kann ja nicht aufs nächste Jahr sparen.

PETER ORTMANN

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