trailer: Herr Gerste, macht es Spaß, Marketing für Duisburg zu machen?
Uwe Gerste: Unbedingt, denn Duisburg ist eine faszinierende Großstadt. In der Außenwahrnehmung allerdings dominieren zurzeit bei manchen Betrachtern leider eher die Probleme. Unsere Aufgabe ist es, den Fokus auch auf die positiven Entwicklungen zu lenken.
Wirkt die Katastrophe während der Loveparade 2010 noch auf das Image der Stadt?
Wir haben bereits 90 Tage nach der Loveparade eine Untersuchung durchführen lassen, bei der Menschen befragt wurden, womit sie Duisburg verbinden. An erster Stelle wurde der Begriff „größter Binnenhafen“ genannt, an zweiter Stelle „Industriestandort“, auch der Zoo und der MSV Duisburg wurden stark mit der Stadt assoziiert. Selbst zu diesem Zeitpunkt war das Loveparade-Unglück nicht die alles beherrschende Assoziation mit Duisburg.
Das Thema „Loveparade“ ist also nicht mehr wichtig?
Wichtig schon, auch als Teil der Stadtgeschichte. Das Unglück kann und darf nicht vergessen werden, die Bewältigung muss authentisch und offen sein. Vieles ist seit dem Unglück auch schon passiert, beispielsweise die Errichtung der Gedenkstätte und ein neuer Umgang mit den Angehörigen. Das Unglück wird medial in den nächsten Jahren immer wieder präsent sein. Denn es stehen ja aller Voraussicht nach Prozesse an, die das Unglück erneut in den öffentlichen Fokus bringen werden.
Den Namen Duisburg verbindet man auch mit anderen Skandalen, zum Beispiel mit dem Bau des Landesarchivs.
Es hat bezüglich der Beauftragung zum Bau des Landesarchivs eine Menge Vorwürfe gegeben. Es gibt auch einen Untersuchungsausschuss des Landtages. Dieser vermeintliche Skandal, der ja weit über die Stadtgrenzen hinausgeht, wird dann nicht mehr so sehr im Fokus der Öffentlichkeit sein, wenn das Archiv erst einmal eröffnet ist. Die Elbphilharmonie in Hamburg wird auch erst dann richtig erstrahlen, wenn sie fertiggestellt ist. Denn in beiden Fällen werden dann die außergewöhnliche Landmarkenarchitektur sowie die inhaltlichen Nutzungen Gegenstand der Betrachtung sein und nicht mehr die Probleme während der Bauzeit.
Die Mercatorhalle kann zurzeit nicht genutzt werden.
Großer und kleiner Saal sind ja leider wegen Brandschutzmängeln seit fast einem Jahr geschlossen. Die Mercatorhalle ist nicht nur für die Duisburger Philharmoniker wichtig, sondern auch als Kongressstandort, um Besucher in die Stadt zu ziehen. Wir hoffen sehnlichst, bald einen Termin genannt zu bekommen, an dem sie wieder zur Verfügung steht.
Aber wo Schatten ist, ist auch Licht?
Beispielsweise im Landschaftspark Duisburg-Nord. Wir haben dort inzwischen eine Million Besucher pro Jahr erreicht. Er ist somit ein echter Publikumsmagnet. Für die Menschen, die in unmittelbarer Nähe wohnen, fungiert er als Naherholungsgebiet. Mit den dort stattfindenden Veranstaltungen ziehen wir viele Multiplikatoren aus der ganzen Republik nach Duisburg. Es gibt außergewöhnliche Freizeitnutzungen, zum Beispiel den größten Tauchgasometer Europas, einen Hochseilklettergarten sowie einzigartige Events wie das Stadtwerke-Sommerkino oder das Kulturfestival Traumzeit. Beide Events erreichten in diesem Jahr neue Besucherrekorde. Und der Landschaftspark ist ein einzigartiges Denkmal der Industriekultur.
Müssen Sie eigentlich von Duisburg begeistert sein, oder sind Sie es wirklich?
Ich bin ein geborener Duisburger. Als Eingeborener stehe ich zu dieser Stadt. Die Duisburger sind ein offenes, herzliches und gastfreundliches Volk, vom Wesen her klar und direkt. Damit können wir punkten. Deshalb müssen wir möglichst viele Menschen für einen Duisburg-Besuch begeistern. Sie wirken als Multiplikatoren für ein neues und verändertes Duisburg-Bild.
Spielt Horst Schimanski noch eine Rolle im Marketing?
Im Moment wird ja gerade aus Anlass des 75. Geburtstages von Götz George ein neuer Schimanski gedreht. Schimanski taucht auch bei den spontanen Assoziationen zur Stadt als Stichwort auf, allerdings seltener, als manche das vermuten. Die Person war in Duisburg nie unumstritten, sondern wirkte eher polarisierend. Er spielte zwar den echten Ruhrgebietstypen, andererseits wurde Duisburg durch die filmische Inszenierung nicht besonders attraktiv dargestellt. Eine Journalistin bietet inzwischen Stadtführungen mit Namen „Schimi-Tours“ durch Ruhrort an. Diese sind sehr begehrt. Er hat weiterhin eine echte Fangemeinde.
Funktioniert Nostalgie, will sagen Industriekultur, als Publikumsmagnet?
Industriekultur wird immer wichtiger für die Menschen. Der Tourist kennt zwar noch andere Sehnsüchte, die stärkste Sehnsucht ist die nach Urlaub in der Natur. Auch hier hat Duisburg mehr zu bieten, als viele annehmen. Aber bundesweit interessieren sich mehr als 10 Millionen Menschen für das Thema Industriekultur. Diese Menschen zu erreichen, ist unsere Aufgabe.
Können Sie auch multikulturell punkten? Ich denke da an Marxloh.
Duisburg ist eine Stadt mit einem sehr hohen Anteil an Migranten. Wir haben hier über 140 Nationalitäten vertreten und praktizieren dabei ein sehr friedvolles Miteinander.
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