Etwas düster Geheimnisvolles liegt über den fotografischen Bildern in der Neuen Galerie Gladbeck. Sowohl Anja Jensen als auch Thomas Wrede inszenieren ihre Darstellungen in der Dämmerung oder Dunkelheit. Entweder ist eine vereinzelte Person so beleuchtet, dass sie beinahe etwas Überirdisches erhält (Jensen) oder der Mensch ist ganz abwesend und hinterlässt Gehöfte, Gebäudeanlagen, Autokinos, die wir aus der Distanz überblicken (Wrede). Immer aber wirken Zivilisation und menschliches Leben schutzlos ausgeliefert. Über dieses Grundrauschen hinaus teilt jedes Bild ein eigenes Geschehnis mit einem nicht sichtbaren „Davor“ mit.
Vor allem bei Thomas Wrede intensiviert sich das Moment der Zeitlichkeit. Sei es dass die Architektur auf vergangene Epochen weist, sei es dass die Folgen einer Naturkatastrophe zu sehen sind. Wrede setzt dazu Miniaturmodelle in eine vorgefundene landschaftliche Situation. Die Dimensionen verschieben sich. Die Irritation des Überschauenden (wie aus einem Hubschrauber) wird noch durch die Schärfe der Details gesteigert. Und Wrede komponiert seine fotografischen Inszenierungen wie ein altmeisterliches Gemälde. Er forciert mit Blickachsen den Sog in das Geschehen, das zudem mit der Attraktivität der glühenden Farben lockt.
Anja Jensen wiederum evoziert Tatorte, in denen die Akteure mit der gegebenen Natur atmosphärisch dichte Szenarien erzeugen. Der bewölkte Himmel oder die Weite von Wasser bilden den Resonanzraum für ein Geschehen, das unheilvoll scheint, aber unausgesprochen ist. Jensen wie auch Wrede formen mit Licht einzelne Partien aus, erzeugen aber auch eine geradezu malerische Künstlichkeit, welche die Gefährdungen der Natur anspricht. Auch steigert die Beleuchtungssituation die Fremdheit des Vertrauten, öffnet psychische Abgründe und hinterfragt unseren Standpunkt gegenüber der Szenerie.
In der jüngsten Zeit hat die Neue Galerie Gladbeck bevorzugt dialogische Ausstellungen präsentiert. Einzelausstellungen sind auch schön, aber eine Schau wie die jetzige verdeutlicht das jeweils Eigene, Besondere und die Intentionen der Künstler.
„Anja Jensen – Thomas Wrede: Fotografie“ | bis 8.1. | Neue Galerie Gladbeck | 02043 319 83 71
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Oberflächen und der Blick dahinter
„Membrane” in der Neuen Galerie Gladbeck
Spuren und Ahnungen
Stefan Müller und Viola Relle im Dialog in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 04/24
Erste Berührungen
Die Malerei von Vivian Greven in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 03/23
Erinnerungen, die sich formen
Melike Kara in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 12/22
Die Ironie der sichtbaren Dinge
Justine Otto in der Neuen Galerie Gladbeck
Malerei und Plastik vereint
Justine Otto in der Galerie Gladbeck
Zwischen Welten
Simone Lucas in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 07/21
Menschen in Räumen
Tim Eitel in der Neuen Galerie Gladbeck – Kunst in NRW 04/21
Die Räume der Bilder
Candida Höfer in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 10/20
Malerei aus Skulptur
Thomas Scheibitz in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 03/20
Für die Malerei
Sven Kroner in Gladbeck – Ruhrkunst 01/20
Gegenwart und Geschichte
Jüngste Bilder von Helena Parada Kim in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 03/19
Die Dinge ohne uns
Alona Rodeh im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 12/24
Strich für Strich
„Zeichnung: Idee – Geste – Raum“ in Bochum – Ruhrkunst 12/24
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
Roter Teppich für das Kino
Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets im Essener Ruhr Museum – Ruhrkunst 08/24
Lebendige Zeitgeschichte
Marga Kingler im Essener Ruhr Museum – Ruhrkunst 07/24
Happy End
Ausstellung über Glück in Bochum – Ruhrkunst 07/24
Im Bann der Impulse
„Radiant“ im Lichtkunstzentrum Unna – Ruhrkunst 06/24
Alle für einen
Matthias Wollgast im Märkischen Museum Witten – Ruhrkunst 06/24
Leben in der Wüste
Namibia-Ausstellung im Naturmuseum Dortmund – Ruhrkunst 05/24
Hin und weg!
„Ferne Länder, ferne Zeiten“ im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 05/24