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Hartmut Beifuß am Saxophon im musikalischen Rahmenprogramm
Foto: Albrecht Dümling

Interesse statt Empörung

21. Februar 2018

Ausstellung über „entartete Musik“ im Hattinger Haus Kemnade – Spezial 02/18

Für die Nazis konnte auch Musik entarten. Nicht nur „entartete Kunst“ wurde diffamiert, sondern auch Tonkunst – in einer Ausstellung Mai 1938 in Düsseldorf. Im Haus Kemnade ist dazu derzeit „Das verdächtige Saxophon“ zu sehen. Der Musikwissenschaftler Albrecht Dümling hatte die Ausstellung im Jahr 1988 zum „halben Jahrhundert“ konzipiert und nun neu überarbeitet.

Die Schau hat ein Problem, das sie aber souverän zu ihrem Vorteil wendet: Originalmaterial ist rar. Es gab damals keinen Ausstellungskatalog, offenbar sind auch keine Exponate erhalten. Nur auf einige Fotos und Zeitungsartikel konnten die Ausrichter sich stützen. Die Schau besteht denn zum Gutteil aus Vor- und Nachgeschichte, mehr aus Einbettung als aus Eingebettetem – aber dieser große Bogen bietet hohen Erkenntnisgewinn: Über die  nationalsozialistische Kulturpolitik und auch darüber, wie Propaganda funktioniert.

Die Ausstellung „Entartete Musik“ war Teil der „Reichsmusiktage“, zu denen 1938 in Düsseldorf auch Forschungsvorträge und ein musikalisches Programm gehörten, von Orchester bis Hitlerjugend. Neben dieser zeitlichen Einordnung bietet „Das verdächtige Saxophon“ viel Kontext zur Ideologie. Das Plakat damals zeigte einen schwarzen Musiker aus der Oper „Jonny spielt auf“ von Ernst Krenek, und heute illustriert es die Vereinnahmung: Auf die Figur war ein Davidstern montiert – zur Dopplung des Feindbildes.

Vergleichsweise nur kleinen Raum nimmt nun der Teil zur historischen Schau ein, dessen sperriger Untertitel „Eine Evokation“ sich vorab nicht recht erklärt. Ein gut gemachter Audioguide begleitet die ausführliche Führung. Der Abschnitt „Geistige Wegbereiter“ stellt nicht nur Richard Wagner als Antisemiten und Zentralfigur des musikalischen Gegenmodells vor: Bekannt gemacht wird der Besucher schon hier mit Hans Severus Ziegler. Erst im thüringischen Volksbildungsministerium gegen „fremdrassige Einflüsse“ aktiv, war dieser federführend bei der Düsseldorfer Ausstellung und hielt die Eröffnungsrede. Sie dient heute als weitere Quelle und wird auch im Hauptteil eingehend genutzt: „Atonalität ist Kunstbolschewismus“, hört man per O-Ton, „Produkt des jüdischen Geistes“. „Wer vom Juden isst, stirbt daran“, gab der Redner zu verstehen, und mit Poltern wie Applaus ließ das Publikum damals seine Zustimmung zu Zieglers Forderung hören: „Da beginnt eine völkische Ehrenfrage, um die wir nicht herumkommen.“

Zur Hinführung gehört auch Grundsätzliches zu Adolf Hitlers Kunstverständnis: „Er verstand sich nicht als Politiker, sondern als Künstler, als Kulturrevolutionär wie Wagner.“ Im Schlussteil werden dann unter anderem „Die Diffamierten“ der NS-Kulturpolitik vorgestellt: Werke des Komponisten Paul Hindemith wurden attackiert; Otto Klemperer, einst Leiter der Kroll-Oper, erhielt schon 1933 ein Aufführungsverbot und emigrierte noch im gleichen Jahr. Zeitungsartikel zeugen dann von der Aufnahme der Schau, auch verhaltene Stimmen sind darunter, und schließlich ist zu erfahren: Ein großer Erfolg war „Entartete Musik“ nicht. Die Ausstellung wurde 1938 vorzeitig geschlossen.

Vielleicht ist es schwieriger, auditive Kunst diffamierend zu färben als visuelle, sofern man sie nicht plump überlärmt. Laut Begleittext zeigten Besucher in Düsseldorf nicht selten echtes Interesse an jener Musik, deren Abspielen dort eigentlich auf Empörung abzielte. Und so mussten denn wohl die üblichen Tricks herhalten, um den gewünschten Hetzeffekt zu sichern: Wer nicht einsehen mochte, worin genau das „Zersetzende“ an Zwölftonmusik liegen mochte, sprang vielleicht auf die Taktik an, fremd wirkende Physiognomien daneben zu stellen. Und „evoziert“ wird dann in Hattingen doch noch ganz unmittelbar und vielleicht am erhellendsten. Ohne sichtbare Distanzierung, ohne Anführungszeichen etwa höhnt da eine historische Zeichnung: „Auch das gab es einmal in Deutschland: Deutschlands erste Negerbar!“ Und um mühsam das Klischee vom geldgierigen Juden zu bedienen, wird ein Satz aus der „Dreigroschenoper“ kurzerhand zum „Selbstbekenntnis“ Kurt Weills umgedeutet: „Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm.“ Mit ihren Erläuterungen gibt also die Hattinger Schau einen guten sachlichen Einblick zur NS-Kultur. Hetze aber spricht und wirkt für sich.

Martin Hagemeyer

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