Als Thomas Gsella noch Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“ war, da pflegte er die Vorschläge seiner Texter in zwei Kategorien einzuteilen: in „Ja-kann-man-machen“- und „Super-das-isses“-Witze. Dass Letztere im Heft die Oberhand behielten, war Aufgabe des Chefs. Seinen Dienst bei der Titanic hat Gsella mittlerweile quittiert und widmet sich seither verstärkt wieder der komischen Lyrik. Neuerdings gehören dazu auch Liedtexte. Für das Essener Grillo-Theater lieferte er die Texte zu dem Musical „Die Erschaffung der Welt“ – ein Stück der Kategorie „Ja-kann-man-machen“.
Der eingefleischte Titanic-Leser mit seiner Vorliebe für grenzwertige Frechheiten und überraschende, schräge Gags wartet zweimal 60 Minuten lang vergeblich auf den „Super-das-isses“-Knüller. Es sind eher Gags vom Kaliber „Das-wäre-mir-auch-als-Erstes-dazu-eingefallen“, die sich in dieser humoristischen Revue im Stile eines Monty-Python-Films aneinanderreihen. Da streitet sich der liebe Gott, der zu Reggae-Rhythmen gern mal eine Riesentüte durchzieht, mit Charles Darwin, der nicht nur zufällig Karl Marx ziemlich ähnlich sieht, über die Evolution. Und die Aminosäuren aus der Ursuppe singen von „kleinen Molekülen, Säuren, Basen, pi, pa, po“.
Es sind Gags, über die man ein wenig schmunzeln kann, aber nur selten wirklich lachen. Inhaltlich fehlt es dazu an Tiefgang; und um als wirklich komischer Nonsens durchzugehen, fehlt es eklatant an überraschenden Momenten. Am erfolgreichsten zünden jene Witze, die im Ruhrgebiet immer funktionieren: Die ersten Worte des Neandertalers sind „Tor“ und „Schalke“, und am Ende stimmt er eine Heimathymne an: „Neandertal, ich komm‘ aus dir“.
Die Musik zum Stück steuert indes der Bochumer Komponist Stephan Kanyar bei und liefert damit einen echten Lichtblick. Seine Nummern sind abwechslungsreich und solide arrangiert von Funkrock über Reggae bis zum überdrehten Schuhplattler. In der Karnevalszeit ist das Stück gut aufgehoben. Die oft witzigen Kostüme von Jan Neidert und Lorena Díaz Stephens passen dazu ebenso wie die klamaukige Inszenierung von Caroline Stolz.
„Die Erschaffung der Welt“ I 9.2., 19.30 Uhr I Grillo Essen I 0201 812 26 00
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