Das Filmkunsttheater Metropolis mitten im Bochumer Hauptbahnhof stellt sich seit den 1950er Jahren den Herausforderungen, sein Publikum zu inspirieren. Mit Leidenschaft widmet sich Betreiber Michael Meyer dem Kino und spricht über Kunst, Kommerz, Technik und die Zukunft des Kinos.
trailer: Herr Meyer, mit einem Bahnhofs-Kino verbinde ich schmuddelige Porno-Kinos.
Michael Meyer: Ein Porno-Kino war das hier nie. Da gruselt es mich.
Aber die Bahnhofs-Kinos waren doch meist schummrige Buden?
Zunächst waren die BALI-Kinos (Bahnhof-Lichtspiele, Anm. d. Red.) Nonstop-Kinos, die eher ein schlichtes Programm zeigten. In den 70iger Jahren liefen dann zeitgemäß neben GODZILLA möglicherweise auch mal erotische Klamotten. Ich kann mich eher an James-Bond-Festivals erinnern.Seit 1982 zeigt das Kino ausschließlich anspruchsvolle Filme unter dem Namen METROPOLIS.
Wie ist die Geschichte des Hauses?
1957 hat das BALI mit 365 Plätzen eröffnet. Es war das 43. Kino in Bochum. Mittlerweile ist es - neben Kassel - das letzte Bahnhofskino. Das Kino steht unter Denkmalschutz. Die Architektur aus den 50er Jahren ist noch sichtbar. Wir haben das Foyer renoviert und den Aufgang so gestaltet, dass man schon am Eingang eine gewisse Kino-Atmosphäre spürt. Leider besteht unser Umfeld in der Bahnhofshalle mittlerweile aus Nachos und McChicken anstatt eines schönen Restaurants. Aber, wenn man die Treppen hochgeht zum Kino, wird man eine ganz andere Atmosphäre wahrnehmen als unten im Bahnhof.
Auf ihrer Website beschreiben Sie das Programm als „bunte, cineastische Reise“. Was meinen Sie damit?
Im Grunde finden hier eine ganze Menge Experimente statt. Einerseits zeigen wir ganz kleine Filme, andererseits auch den aktuellen James Bond, allerdings in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln.
Das heißt Sie versuchen, wie auch die Multiplexe, zunehmend den Spagat zwischen Mainstream und Arthouse. Verwischen da die Sparten?
Ich hoffe nicht. Damit ein Film im Metropolis zur Aufführung gelangt, muss er qualitativ in der Oberliga spielen. Das gilt besonders für Mainstream-Filme. Und schließlich ist es auch etwas Besonderes, James Bond in der Originalfassung zu hören. Wir versuchen eben eine andere Präsentation zu finden, und ich bin vom Zuspruch überrascht.
Gibt es Absprachen mit den Kinos in der Region, wer welche Filme spielt?
Es herrscht ein großer Konkurrenzdruck, gerade in Bochum, wo über 30 Kino-Leinwände zu finden sind. Die großen Kinocenter haben Interesse an Arthausfilmen dann, wenn sie sich ein Geschäft versprechen. Wir zeigen auch Filme, die uns Spaß machen und die wir mögen oder schlichtweg für wichtig halten.
Kino hat die Konkurrenz des Fernsehens einigermaßen überlebt. Glauben Sie, dass es eine Chance gibt, in der Zukunft gegen das Internet anzukommen?
Ich empfinde das nicht als Konkurrenz. Solange die Menschen Filme lieben und erleben wollen, gehen sie ins Kino. Das Kino bietet für einen verhältnismäßig geringen Preis zwei Stunden Emotionalität. Die Qualität vieler Filme erschließt sich eigentlich erst, wenn man sie im Kino mit anderen erlebt hat. Ich finde es allerdings schade, dass alte Filme so wenig präsent sind. Wir versuchen manchmal ältere Filme zu zeigen. Das sind meist keine großen Erfolge, weil heute vielfach nur das sehenswert ist, was wirklich neu ist. Das bedaure ich ein bisschen. Ich gehe ja auch nicht ins Museum mit der Vorgabe mir nur neue Bilder anzugucken. Neu ist doch das, was man noch nicht kennt.
Das Metropolis ist mit 3D-Technik mittlerweile sehr gut ausgerüstet.
Es geht uns auch um die technische Weiterentwicklung. Man kann nicht stehen bleiben, und man muss auch nicht nostalgisch auf die 35mm-Filme blicken. Vielleicht wird die klassische 35mm-Filmprojektion irgendwann mal ein Premium-Produkt vergleichbar mit den Langspielplatten. Wir haben noch die analoge Technik da, und können sie jederzeit einsetzen. Im Moment läuft die Sache aber überwiegend digital. Die 35mm-Filmkopien sind empfindlich, sodass ein Film zum Beispiel nach einiger Zeit Laufstreifen haben kann. Nicht, dass jetzt keine Panne mehr passieren kann, auch ein Computer kann mal abstürzen. Aber eigentlich sind die Vorgaben so, dass es perfekt läuft. Die Vorführung ist in der Regel so, wie ich sie mir klassischerweise vorstelle im Kino mit allem drum und dran. Und das Schöne: Die Filme sehen nach zehn Wochen genauso aus wie am ersten Tag.
Ihre Faszination für die neue Technik lässt auf eine gute Zukunft fürs Kino hoffen?
Selbstverständlich. Das Kino wird eine Zukunft haben. Das Tolle ist, dass das digitale Kino auch jede Menge neue Möglichkeiten bietet. Es gibt restaurierte Filme wie den großen Stummfilm „Metropolis“, die man nun in perfekter Qualität sehen kann. Auch die Möglichkeit deutsch untertitelte Originalfassungen in Bochum zu zeigen, hatten wir früher nur selten, jedenfalls oft nicht zeitnah zum Bundesstart eines Films. Auf eine der wenigen teuren OmU-Analogkopien musste man häufig wochenlang warten. Nun können die Originalversionen immer öfter auch deutsch untertitelt aktuell von den Verleihern zur Verfügung gestellt werden.
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