Das Kulturzentrum in Wetter sorgt dafür, dass die kleine Stadt an der Ruhr zu einem guten Kinoprogramm kommt. Mit viel ehrenamtlichem Engagement führt die Filminitiative rund um den ehemaligen Bürgermeister Werner Laberenz das sympathische Kino der besonderen Art.
trailer: Herr Laberenz, wie sind Sie persönlich zum Kino gekommen?
Werner Laberenz: Ich bin seit Studienzeiten ein Kinogänger ohne alle Grenzen. Ich habe manchmal während des Studiums vier Filme am Tag gesehen. Es war etwas schwer, die Vorlesungen dabei unterzubringen. Als wir hier in Wetter Anfang der 1990er Jahre begannen, suchten wir zunächst für eine kleine Theatergruppe einen Spielort. Zu der Zeit machte das letzte Kino in Wetter gerade dicht, und das war die Chance, hier reinzukommen. Ich habe mich von Anfang an darum gekümmert, dass wir hier auch mit einem Kino-Programm einsteigen. Wir haben das Ganze umbauen müssen. Wo früher die Loge war, ist jetzt die Theke, der alte Vorführraum ging verloren, und wir haben als Ersatz eine Art Kiste mit Stelzen gebaut.
Wer war denn dabei?
Wir waren zunächst mal das „Koffertheater“, das nach wie vor spielt, und ein paar andere Leute. Ich war damals im Rat Vorsitzender des Kulturausschusses und habe in meinem Garten die ersten Verschwörer-Sitzungen organisiert, bei denen wir unsere Strategie überlegt haben.
Was war bisher Ihr schönstes Kino-Erlebnis in der Lichtburg?
Sehr gefreut habe ich mich, als wir den allerersten Film hier gezeigt haben: „Grüne Tomaten“. Da war ich noch ziemlich unbeleckt von den ganzen technischen Zusammenhängen. Der Film riss zweimal, wir hatten eine ganz alte Maschine damals. Es waren über 200 Leute im Kino, die standen hinten. Es war ein Wahnsinns-Erlebnis, dass in Wetter wieder richtiges Kino lief. Übrigens haben wir nur einen 35mm-Filmprojektor und machen deswegen immer eine Pause, um die Filmrollen zu wechseln. Hin und wieder zeigen wir auch mit hoher Qualität Blu-Ray. Unser Publikum hat sich inzwischen sehr an die Pause gewöhnt, um sich noch ein Bier an der Theke zu holen. Ich vermute, die Pause wollen sie weiter haben.
Während wir hier sprechen, probt auf der Bühne vor der Leinwand ein Kinderchor. Das ist recht ungewöhnlich für ein Kino.
Insofern ungewöhnlich, als der Saal mehrfach genutzt wird. Wenn wir Theater machen, kann man die Leinwand hochziehen, sodass man eine kleine Bühne hat. Es gibt Kleinkunst und Musik-Veranstaltungen, und wir haben die städtische Musikschule übernommen. Dieser Chor ist ein Teil von vielen Aktivitäten.
Da scheint ein großes ehrenamtliches Engagement hinter zu stehen?
Fast alles, was passiert – wie Kino, Vorführung, Theke, Programm-Organisation –, ist ehrenamtlich. Wir haben allerdings ein professionelles Büro, da sind drei bis vier Personen beschäftigt – ohne geht es nicht bei diesem Umfang.
Wer macht die Programmauswahl im Kino?
Das mache ich im Wesentlichen mit einer Kollegin, die auch im Vorstand des Vereins ist. Wir laden immer ein zu dem festen Termin, aber meistens sind wir allein.
Was zeigen Sie in der Lichtburg?
Wir zeigen aktuelle Filme kurz nach dem Start, und das klappt auch ganz gut. Unser Publikum wartet auch darauf, weil sie wissen, dass wir interessante Filme zeigen. Ich bin ein Anhänger von kleinen, europäischen Filmen. Ich suche sie aus über die Presse und durch regelmäßige Besuche bei Filmfestivals. Wir haben seit fast einem Jahr noch eine zweite Spielstätte, das „Café Mittendrin“ in der Evangelischen Stiftung Volmarstein, einer großen Behinderten-Einrichtung, die Interesse hatte, auch dort Kultur anzubieten. Da wird anders ausgewählt. Die Bewohner sagen schon mal selber, was sie sehen wollen.
Wie wird Ihr Kinoprogramm in der Lichtburg angenommen?
Unterschiedlich. Zu den besten Filmen kommen die wenigsten Leute (lacht). Manchmal rennen sie uns die Bude ein, dann schieben wir noch eine Vorstellung ein. Wir haben eigentlich drei Kino-Spieltage in der Woche.
Wie viele Plätze hat denn das Kino?
Wir haben Stühle und Tische im Saal, auch während des Kinobetriebs, und so 150 Leute können wir gut unterbringen.
Wie viele Einwohner hat Wetter?
Knapp 29.000.
Glauben Sie, dass Ihr Modell auch gut in anderen Städten funktionieren könnte?
Es gibt viele kleine Städte ohne Kino. Finanziell lässt sich sowas nicht profitabel machen. Leben kann niemand davon. Aber wenn es gelingt, eine zuverlässige ehrenamtliche Mitarbeit zu organisieren, und wenn man einen Raum hat … Alte Kinos sind potentielle Orte.
Gibt es sonst noch spezielle Kino-Angebote in der Lichtburg?
Wir haben hin und wieder Besuche von Filmemachern. Und am letzten Sonntag im Monat machen wir ein „Frühstücks-Kino“ mit großem Buffet. Das läuft so gut, dass wir regelmäßig ausverkauft sind. Seit einigen Jahren machen wir mit bei „Kino und Schule“. Und wir haben selbst einen Spielfilm produziert, der gerade nach längeren Postproduktions-Mühen fertig geworden ist. Auf einem Festival in Kenia hat „Das geheime Zimmer“ den Preis für den besten Jugendfilm gewonnen.
Wer hat da mitgemacht?
Es gab zwei professionelle Schauspieler, das restliche Personal wurde bei einem Casting mit über 300 Anmeldungen ausgewählt.
Und das Team?
Der Regisseur, Kamera- und Ton-Mann waren Profis. Das Kulturzentrum ist Produzent.
Gab es Förderung? Über was für eine Summe sprechen wir da?
Wir hatten eine Landesförderung für ein größeres Projekt im Bereich Theater, Musik und Kino. Aus dem haben wir teilweise den Film bezahlt. Die Kosten waren sehr überschaubar, das waren keine 30.000 Euro. Er läuft inzwischen in benachbarten Orten und bei den Schulkino-Wochen ist er auch aufgenommen worden.
Programm und weitere Infos: www.lichtburg-wetter.de/kino-programm/filminitiative
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