Im Hagener Kulturzentrum Pelmke, das seit 24 Jahren existiert, gibt es seit 1996 auch eine Filmsparte, die unter dem Namen „Babylon“ Filmkunst in den Stadtteil Wehringhausen bringt. Mittlerweile spielt man dort rund 360 Vorstellungen jährlich, seit zwei Jahren wird jeder Hauptfilm zusätzlich von einem Kurzfilm flankiert. Alex Thiele ist der Leiter des Babylon-Kinos im Kulturzentrum, den wir zu den Besonderheiten dieses Filmbetriebes befragten.
trailer: Herr Thiele, wie ist das Programm des Kinos konzipiert?
Alex Thiele: Als Programmnachspielkino. Wir haben eigentlich nie Filme zum Bundesstart, sondern immer mit einer vier- bis achtwöchigen Verschiebung. Wir sind hier auch manchmal räumlich etwas begrenzt, weil es Gruppen gibt, die das neben dem Kinosaal gelegene Kinocafé nutzen, dann ist eine gleichzeitige Nutzung des Kinos wegen Lautstärkeentwicklung ungünstig. Auch wenn unten im Saal eine Veranstaltung stattfindet, schließt das eine Kinovorstellung komplett aus. Deswegen und aus Personalmangel können wir kein Vollprogramm anbieten.
Nach welchen Kriterien wird denn das eher arthousige Programm zusammengestellt?
Wir machen das als demokratische Kinogruppe. Die bis zu zwölf aktiven Mitglieder unserer Kinogruppe treffen sich einmal im Monat und gestalten dann gemeinsam das Programm. Jeder schlägt Filme vor, von denen er gehört hat und die er interessant findet. Nach einer kurzen Vorstellung für die anderen schauen wir uns Trailer dazu an, ziehen diverse Rezensionen zu Rate und versuchen, uns davon ein Bild zu machen. Idealerweise habe ich die Filme dann schon auf der Berlinale, der Filmkunstmesse oder anderen Gelegenheiten gesehen. Und danach stimmen wir das Programm dann demokratisch ab. Jeder hat seine Stimme und kann das Programm mitgestalten.
Eine regelmäßig stattfindende Reihe hier im Haus ist die „Film & Theater“-Reihe in Kooperation mit dem Stadttheater…
Genau, die machen wir seit acht Jahren mit wechselndem Erfolg. Da werden Theaterproduktionen mit entsprechenden Filmadaptionen oder thematisch verwandten Filmen begleitet. Dabei orientieren wir uns am jeweils nächsten Spielplan des Theaters, was dadurch etwas schwierig geworden ist, dass das Stadttheater im Schauspielbereich nur noch Gastspiele präsentiert. Die konzentrieren sich mittlerweile auf Musiktheater, Ballett und Oper, was es schwieriger macht, entsprechende Filmadaptionen zu finden. Da suchen wir dann nach stofflichen und thematischen Verbindungen.
Eine weitere etablierte Reihe nennt sich „Kirchen und Kino“…
Ja, das ist eine überregionale Reihe, die von der Akademie Schwerte initiiert wurde. An der Reihe nehmen viele Kinos in NRW und auch in Niedersachsen teil. Einmal im Jahr stellt eine Programmkommission die Filme zusammen, basierend auf den Filmtipps von „epd Film“ und „Filmdienst“, den beiden christlich-kirchlichen Filmmagazinen. Aus diesem Pool von knapp dreißig Filmen werden dann jährlich acht für die Filmreihe ausgewählt.
Gibt es noch weitere Reihen?
Im vierten Jahr haben wir jetzt die Klarsicht-Reihe, die wir mit mittlerweile neun Kooperationspartnern vor Ort organisieren. Dabei stehen globalisierungskritische politische Filme im Zentrum. Die suchen wir gemeinsam aus mit unseren Kooperationspartnern wie Attac, ver.di-Jugend, DGB-Jugend, Grüne Jugend, Jusos, Friedenshaus oder AllerWeltHaus in Hagen. Vor dem Film gibt es dann von den Partnern eine Einführung und anschließend ein Gesprächsangebot über das Gesehene. Für September ist zum 50jährigen Jubiläum von amnesty international eine Filmreihe geplant. Ansonsten haben wir regelmäßig Kooperationen mit dem Kulturbüro, zum Tanzfestival „TanzRäume“, zum Weltfrauentag oder zum Kinder- und Jugendbuchfestival „LeseLust“. Wir kuratieren nicht immer nur, sondern moderieren auch und schaffen ein Forum für interessante Kooperationspartner.
Das sind alles sehr anspruchsvolle Filmreihen. Zusätzlich gibt es noch den „Filmclub Bali“, das Kontrastprogramm, ein Revival des Bahnhofskinos…
Ja, genau. Damit haben wir aber relativ wenig zu tun, dafür stellen wir nur den Raum zur Verfügung. Organisiert wird das intern vom Club, das sind ja auch keine öffentlichen Vorführungen, sondern lediglich Veranstaltungen für Clubmitglieder. Das orientiert sich an dem bekannten Vorbild in Gelsenkirchen, dem „Buio Omega“. Die haben ein Faible für B-, C- und D-Movies und Abseitiges (lacht). An je einem Freitag im Monat gibt es ein Nachtprogramm mit einem entsprechenden Double Feature.
Laufen denn viele Filme bei Ihnen in untertitelten Fassungen?
Früher war es wesentlich mehr. Bis vor vier oder fünf Jahren war jeder zweite Film, manchmal sogar zwei Drittel, in der OmU-Fassung. Jetzt sind es pro Monat noch ein oder zwei, meist abhängig davon, wie viele Dokumentationen wir zeigen, da diese ja meist in der untertitelten Originalversion laufen. Hinzu kommt pro Monat meist ein Spielfilm in der OmU-Fassung, überwiegend französische oder englischsprachige.
Was gibt es sonst noch für Besonderheiten?
Eine Besonderheit unseres Kinos ist, dass wir nur einen Projektor haben, und das ist kein Tellerprojektor. Der hat nur einen Motor, der maximal eine 2000er-Rolle verkraften könnte, d.h. wir müssen aus technischen Gründen bei allen Filmen über 90 Minuten Länge eine Pause machen, weil wir die nicht an einem Stück vorführen können. Das ist für viele befremdlich, aber für unsere Stammgäste ist das ein soziales Forum geworden, das irgendwie dazugehört. Die meisten haben das akzeptiert und finden es gut, dass es eine Unterbrechung gibt.
Jetzt im August bieten Sie auch wieder ein Open-Air-Programm an…
Ja, das gibt es immer in den Sommerferien, wenn die Kinobranche ohnehin ein wenig darniederliegt, mit Ausnahme der Blockbuster. Seit 1999 gibt es im Hinterhof des Kinos nun schon regelmäßig das lauschige „Kino unterm Sternenhimmel“. Die Leute kennen das schon und kommen da immer sehr gerne hin, weil die Stimmung auch sehr gut ist. Mit mediterraner Atmosphäre und ein paar Lichtspielen zeigen wir dann ein leichtes, sommerliches Programm. Zum ersten und letzten Film gibt es dann zusätzlich noch eine Discoveranstaltung.
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