Die legendären Autokinos sind mittlerweile rar gesät. Seit über 40 Jahren gibt es in Essen schon ein Drive-in-Kino, wo man mit dem Auto vorfährt und dann im besten Fall mit seinem Schatz einen Film durchknutscht. Seit über 20 Jahren leitet Frank Peciak das Autokino und schwärmt immer noch von dem besonderen Kinoerlebnis. Und jede Woche gibt’s obendrein einen Floh- und einen Automarkt.
trailer: Herr Peciak, wie ging das hier los?
Frank Peciak: Eine meiner Mitarbeiterinnen ist vom ersten Tag an mit dabei und sie sagt, dass das Autokino damals regelmäßig auch an den Wochentagen komplett ausverkauft war. Die Polizei kam am Ende des Films, um den Verkehr zu regeln. Da ist es noch richtig hoch her gegangen. Da gab es auch nur drei Programme im Fernsehen.
Kommen hier hauptsächlich Pärchen hier hin?
(lacht) Meistens zu zweit, ja.
Ich verbinde Autokino mit Knutschen und Popcorn-Essen.
Mit Popcorn im Mund zu knutschen ist mal was anderes. Müsste ich mal ausprobieren. Aber klar wird hier geknutscht, wie woanders auch. Ist doch normal.
Wieso ziehen Ihre Gäste das Autokino einem normalen Filmhaus vor?
Das ist komplett was anderes. Sie können mit dem Auto reinfahren und brauchen nicht mehr aussteigen. Was noch von Vorteil ist: Sie können in Ruhe den Film genießen. Da knuspert keiner. Da schwatzt keiner. Da riecht keiner vor sich hin. Ist doch viel angenehmer.
Wie funktioniert das praktisch?
Sie kommen mit dem Auto an die Kasse gefahren und zahlen pro Person Eintritt und dürfen sich dann hinstellen, wo Sie möchten. Sie stellen im Autoradio unseren Sender ein und haben dann den Filmton direkt bei sich im Auto. Wenn mal ein Radio kaputt ist oder es jemand mag wie früher, nimmt er halt die Lautsprecherbox, die wir hier haben. Und wenn es kalt ist, haben wir auch Heizlüfter für alle.
Macht da mal eine Batterie schlapp?
Das kommt eigentlich selten vor. Aber dann schieben wir halt an oder nehmen unser Notstart-Gerät. Die kriegen wir dann schon hier runter.
Auf dem Parkplatz sind auch so Buckel.
Die Leinwand steht ja auf einem Hügel, und damit man gut sieht, muss der Wagen halt schräg stehen.
Die Leinwand hat beeindruckende Ausmaße.
Die ist 15m hoch und 36m breit. Größere Leinwände gibt es eigentlich gar nicht.
Sie sind hier direkt neben dem Stadion von Rot-Weiss Essen. Was ist denn, wenn da gespielt wird?
Die Fans machen uns gar nichts. Nur wenn die ihre Flutlichter anhaben, dann stört das ein bisschen auf der Leinwand. Was aber bald, wenn das neue Stadion fertig ist, auch der Vergangenheit angehört, weil die dann ja die Lichter innen haben.
Und die Fangesänge?
Die meisten Kunden kommen ja aus Essen, und wenn die da drüben jubeln, wissen sie: Die Essener haben wieder ein Tor gemacht. Das ist dann auch von Vorteil.
Was passiert, wenn es in Strömen regnet?
Dann muss man den Scheibenwischer anmachen.
Wenn es schneit?
Wir hatten auch schon Besucher im Nebel. Da hat man die Hand vor Augen nicht gesehen. Die haben dann halt ein Hörspiel genossen. Die wollten aber trotzdem rein, und das geht auch.
Wie viele kommen denn an einem guten Abend?
An einem richtig guten Abend sind hier 500-600 Autos pro Vorstellung. Dann haben wir einen guten Film, und das Wetter passt auch. Dann geht’s richtig zur Sache.
Wie sieht die Programmauswahl aus?
Wir wählen Filme aus, von denen wir meinen, dass sie gut ankommen. Alles: Action, Liebesfilme, was halt aktuell läuft.
Ich finde es ja recht speziell hier.
Autokino ist so wie Kirmes und Zirkus zugleich, sage ich immer. Es ist halt anders. Die Kundschaft ist auch spezieller. Die Leute, die zu uns kommen, die gehen gar nicht mehr in ein normales Kino. Ich gehe schon mal mit meiner Tochter dahin, weil die Vorstellungen früher beginnen. Wenn da neben mir Leute sitzen und vor mir und hinter mir, dann fühle ich mich irgendwie so beengt. Und im Auto selbst hast du Platz. Das ist die eigene Loge. Das ist viel freier, ungezwungener, ich finde es halt schöner.
Kommen auch manche, um ein schönes Auto zu präsentieren?
Auf jeden Fall. Bei „Fast & Furious“, das ist ja so ein Action-Autofilm, waren jede Menge Jugendlicher mit getunten Autos da. Das gehört dazu. Wir machen eine Stunde vor Filmbeginn auf. Dann treffen die sich hier und schwatzen.
Für das leibliche Wohl ist auch gesorgt. Was gibt’s hier zu essen?
Hamburger, Pommes, Getränke, Popcorn. Alles, was man so braucht.
Und das nehmen die Leute mit ins Auto?
Die meisten nehmen es mit ins Auto, andere bleiben auch im Café, je nachdem, wie viel Zeit noch zum Filmstart ist.
Kann man mit jedem Auto reinfahren?
Kein Problem. Wir hatten auch schon mal einen 30-Tonner hier. Den stellen wir dann allerdings nach hinten, weil man sonst nicht allzu viel sieht, wenn man hinter dem steht.
Mit Anhänger?
Nur die Zugmaschine. Der guckte aus dem dritten Stock oben und hatte prima Sicht auf die Leinwand. Das war der Wolkenkratzer im Autokino.
Sie sind natürlich wie jedes Freilicht-Kino darauf angewiesen, dass es draußen dunkel ist.
Wenn es hell ist, geht es nicht. Wir fangen je nach Jahreszeit an. Je nachdem, welcher Monat ist und ob es bewölkt ist oder die Sonne scheint. Wir geben zwar eine Zeit an, aber das können wir nicht immer einhalten.
Also dann kommt man und kauft noch Pommes …
Dann wird auf dem Platz noch geguckt und gemacht und getan, die Scheibe noch mal gewienert.
Macht Ihnen der Job hier Spaß?
Ja klar! Natürlich. Was anderes könnte ich mir gar nicht mehr vorstellen. Das ist eine gute Mischung aus Büro und draußen. Im normalen Kino siehst du ja kaum Tageslicht.
Sie haben hier sehr fette Filmprojektoren stehen.
Die sind noch fast neu und machen ein sehr gutes Bild auf der großen Leinwand. Die haben jeweils 6000-Watt-Kolben. Aber nur Filme vorführen, das reicht leider nicht. Wir haben wöchentlich noch einen Flohmarkt und einen Automarkt, die Geld reinspülen. Das ist auch eines unserer Standbeine.
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