Ein neues, junges Team betreibt seit acht Monaten das alteingesessene Roxy Kino in der Dortmunder Nordstadt. Sascha Kirchhoff, Holga Rosen, Michael Markefka bringen frischen Wind und einen coolen Touch in das wunderschön renovierte Kino aus dem Jahre 1932.
trailer: Herr Kirchhoff, wie seid Ihr als neues Team an Bord gekommen?
Sascha Kirchhoff: Wir haben jahrelang als Vorführer und Kassierer im Roxy Kino gearbeitet. Als dann die ehemalige Betreiberin den Pachtvertrag gekündigt hat, war es ein nahliegender Entschluss, das Kino zu erhalten. Der Besitzer wusste, dass wir begeisterte Kinofans sind und unser Herz am Roxy hängt.
Wie ging es los?
Wir haben Interesse angemeldet und Konzepte geschrieben. Dann wurde das Ganze ja auch ein bisschen dramatisch, als wir zur Schlüsselübergabe ein komplett leeres Kino vorgefunden haben. Wir sind davon ausgegangen, dass die Technik und das Mobiliar zur Ausstattung des Kinos gehören. Da gab es ein paar Missverständnisse zwischen Vermieter und Betreiberin, mit dem Resultat, dass dann weder Technik noch Mobiliar vorhanden war und wir nicht loslegen konnten, sondern das Kino komplett neu ausstatten mussten.
Hübsche Überraschung. Jetzt sieht das Kino toll aus.
Da ist sehr, sehr viel Arbeit auf uns zugekommen und natürlich hohe Kosten. Es war lange offen, ob das Projekt überhaupt stemmbar ist. Andererseits haben wir das schnell als Chance gesehen, hier frischen Wind reinzubringen. So viele Leute haben uns unterstützt. Und ich glaube, jetzt können wir uns mit dem Ergebnis viel besser identifizieren.
Was hat es mit dem Förderverein des Roxy Kino auf sich?
Der ist 2010 auf unsere Initiative hin gegründet worden mit der Absicht, diesen Neuanfang zu unterstützen. Nach wie vor gibt es notwendige Anschaffungen, und einiges ist immer noch improvisiert. Spätestens in ein paar Jahren muss man sich auch im Programmkino-Bereich mit der Digitalisierung beschäftigen. Insofern wird auch der Verein nie unnötig werden.
Wie würden Sie die Programmstruktur beschreiben?
Uns war ganz wichtig, an die Tradition des Roxy anzuknüpfen. Das heißt der Schwerpunkt liegt auf anspruchsvollem Kino abseits des Mainstreams. Neu ist, dass wir häufiger Filme im Original anbieten. Da kommen zwar nicht die großen Zuschauer-Massen, aber es gibt immer eine Handvoll Cineasten, die es einem erst recht danken. Was uns auch besonders Spaß macht, ist die Klassiker-Reihe. Die werden so ermittelt, dass wir im Internet Filme zur Auswahl stellen und das Publikum abstimmt. Das einzige Kriterium, das erfüllt sein muss, ist Kultfilm-Status. Die Abstimmung ergibt eine schöne Mischung aus Kunstwerken wie La Strada von Fellini oder Tanz der Vampire und Landhaus der toten Seelen, von Casablanca bis Rocky geht die Bandbreite.
Kann man auch eigene Wünsche äußern?
Wir haben ein offenes Ohr. Wir haben ein Gästebuch eingeführt im Kino und auf der Internetseite. Uns ist wichtig, das Publikum mehr einzubinden.
Wie ist es denn bestellt mit dem Publikum?
Die alten Roxy Fans sind uns Gott sei Dank treu geblieben, aber wichtig ist auch der Nachwuchs. Dadurch, dass wir verstärkt Werbung an Unis betreiben und unsere Internet-Präsenz ausgebaut haben, sprechen wir verstärkt ein studentisches Publikum an. Das kann man interessanterweise auch mit Klassikern im Original mobilisieren.
Wie fühlt Ihr Euch in der Dortmunder Nordstadt?
Die direkte Nachbarschaft interessiert sich überhaupt nicht für das Kino. Unsere Kundschaft lebt nicht hier in der Nordstadt, von ein paar Studenten abgesehen. Deswegen bieten wir Filme an, die Leute motivieren von weiter her zu kommen. Es herrscht aber auch ein übertriebener Respekt vor der Nordstadt. Manche Leute haben Hemmungen überhaupt zu kommen, weil sie Problem-Viertel-Geschichten im Kopf haben, die man nicht überbewerten sollte. Ich finde es origineller ein Programmkino in einem Viertel zu betreiben, wo nicht nur Ärzte und Anwälte ansässig sind.
Ihr habt also noch nicht bereut, das Roxy Kino übernommen zu haben.
Nein. Auf keinen Fall. Uns war ja von Anfang an bewusst, dass das ein Experiment ist. Wir wussten, dass wir damit nicht reich werden. Zunächst mal war das Ziel, einen Versuch unternehmen zu dürfen, hier was Eigenes draus zu machen. Das ist alles andere als ein Selbstläufer. Die Begeisterung am Kinomachen, an den Filmen und am Kontakt mit dem Publikum ist nach wie vor gegeben und wächst eigentlich eher noch.
Dann könnt Ihr auf eine rosige Zukunft blicken?
Ich bin da sehr zuversichtlich, und wir arbeiten Woche für Woche und Monat für Monat daran. Die Resonanz ist sehr gut. Wir lernen jeden Tag was Neues dazu.
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