Der Freitagabend lockt mit seinen letzten Sommerstrahlen die Besucher auf den Friedensplatz. Wo sonst geschäftige Menschen über das Areal huschen, sind in diesen Tagen eine Bühne und zahlreiche Stände aufgebaut. Getragene Klänge und sphärischer Gesang lassen die Anwesenden in fremde Welten entfliehen.
Den Anfang macht um 17 Uhr die Tunserierin Chiha. Ihr Name bedeutet so viel wie Heilpflanze Wermut. Sie mischt traditionelle arabisch-andalusische Musik mit Drum'n'Bass-und House-Elementen. In ihren rhytmhisch-flotten Liedern singt sie über Frieden und Liebe.
Daniel (31) und Sarah (28) beobachten das Geschehen derweil von der Wiese hinter dem Rathaus. Von hier aus können sie noch einen Blick auf die Bühne erhaschen. Dass der Friedensplatz weitläufig und besonders leicht zugänglich ist, empfindet Sarah als echten Pluspunkt für ein Festival. Besonders in einer Zeit, in der die Sicherheitsvorkehrungen immer wichtiger werden.
Künstler kennenlernen
„Die Leute sind gut drauf, es ist sehr abwechslungsreich und es kostet nichts“, sagt Daniel. „Umsonst&Draußen-Festivals mag ich gern.“ Sarah geht noch einen Schritt weiter. Sie besucht ausschließlich kostenlose Festivals. Beide haben von dem Dortmunder Micro! Festival über gemeinsame Freund erfahren. Sarah nennt noch einen weiteren Vorteil: „Ich bekomme einen Einblick von verschiedenen Künstlern, die ich sonst wahrscheinlich nie kennengelernt hätte.“
Das österreichische Theater Irrwisch ist so ein Act. Vier Grannies (Großmütterchen) machen den Friedensplatz unsicher. Kopfüber geht es an den Bierstand und auch das meterhohe Geländer vor dem Dortmunder Rathaus wird zum Klettergerüst. Nichts ist mehr vor den vier Männern in schwarzem Gewand und grauer Perücke sicher. Dem Publikum gemischten Alters gefällt´s. Es folgt dem Komiker-Quartett quer über den Platz, lacht und johlt.
Um 19 Uhr erklimmt das Mikail Aslan Ensemble aus Ost-Anatolien die Bühne des Micro! Festivals. Mikail Aslan singt auf seiner Muttersprache Zazaki und macht Musik mit kurdischen, armenischen und türkischen Einflüssen. Er verknüpft sie mit Elementen aus europäischem Jazz, Pop und Folk. „Musik ist auch Stimmungssache“, findet Sarah. Nicht immer könne sie solch eine melancholische Musik hören, wie sie gerade von Mikail Aslan und seinem Ensemble herüberschalle. Das Publikum mag Mikail Alsan dafür umso mehr. Nach seinem stimmungsvollen Auftritt folgt noch eine Zugabe.
Alles dreht sich um die Waschmaschine
Um den alltäglichen Wahnsinn geht es dagegen beim spanischen Duo Cia Mar Gomez. In einer leidenschaftlichen Beziehung fliegen auch schon einmal die Fetzen, pardon, die Kleider. Denn in dieser Darbietung dreht sich alles um eine Waschmaschine: Zu folkloristischer Musik fliegt die Wäsche durch die Gegend und die Flamenco-Kleider werden in Windeseile gewechselt.
Inzwischen ist es dunkel geworden auf dem Dortmunder Friedensplatz. Die Straßenlaternen spenden nach 21 Uhr Licht, als die zwölf Musiker Fanfare Ciocarlia den ersten Abend des Micro! Festivals beschließen. Die rumänische Band ist fester Bestandteil der internationalen Weltmusikszene. Ihr Balkan-Funk mit Trompete, Saxophon und Tuba animiert auch die Zuschauer zum Tanzen. Daniel, der neben Balkan Beats auch Elektro und Alternative hört, ist begeistert. Er hat viele neue Eindrücke gesammelt und resümiert: „Durch die Klangfarbe der Musik kann man in die Seele der Kultur blicken."
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