Simona Weber (geb. 2004) macht ihr Abitur am Gymnasium an der Schweizer Allee in Dortmund. Seit März engagiert sie sich bei Fridays for Future.
trailer: Schulen und Betriebe sollen am 20. September leer stehen. Was genau können wir vom Aktionstag erwarten?
Simona Weber (SW): Wir rufen alle Generationen dazu auf, um konsequent auf die Politik einzuwirken. Wenn wir einen Klimastreik hinkriegen, ist es ein Zeichen, dass es uns alle angeht. Es reicht nicht, dass nur Schüler etwas machen.
Felix Olbertz (FO): Fridays for Future streiken ja schon sehr lange. Dass jede Woche was passiert, finden wir beeindruckend. Dieser zentrale Aktionstag bedeutet für uns, noch mal eine Schippe drauf zu legen und zu zeigen, dass die Klimabewegung eine gesamtgesellschaftliche Allianz ist. Die Erwartungen von Fridays for Future an die Politik wollen wir damit unterstützen.
Der Slogan der ver.di-Jugend lautet „One Solution: Revolution!“. Könnt Ihr Euch denn keinen „grünen Kapitalismus“ vorstellen?
FO: Die Herausforderung ist, Klimaschutz und Arbeitnehmer*innen-Fragen zusammen zu denken. Bei einer CO2-Steuer sind wir z.B. nicht unbedingt dabei. Eine Umweltschutzmaßnahme, die zu Lasten der unteren Einkommen ausfällt und die Beschäftigten damit mehr als andere belastet, würden wir nicht unterschreiben. Uns ist wichtig, dass eine Umverteilung dabei ist. Es muss eine gesamtgesellschaftliche Lösung geben. Dieser Slogan ist von daher nicht so gemeint, dass wir mit Heugabeln und Fackeln auf die Straßen gehen. Es ist eher als Umdenken ausgelegt. Und das macht Fridays for Future vor.
Simona, welche Rolle spielt diese soziale Komponente bei Euch?
SW: Natürlich ist die Umverteilungsfrage wichtig. Aber wir kämpfen für den Klimaschutz. Unser erstes Ziel ist, dass wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens einhalten und es schaffen, unseren Planeten noch zu retten. Im besten Fall natürlich, ohne dass die unteren Schichten dadurch mehr leiden müssen.
Felix, wie schätzen die Kolleg*innen und Gewerkschaftsmitglieder*innen das Thema Klimaschutz ein? Erscheint es gegenüber anderen Anliegen wie etwa dem Pflegenotstand als zu abstrakt?
FO: Intern wird es auf jeden Fall diskutiert. Als Massenorganisation mit zwei Millionen Mitgliedern sind wir ein Abbild der Gesellschaft. Da stoßen unterschiedliche Meinungen aufeinander. Aber in unserer Satzung steht, dass wir uns für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen. Wichtig ist, diesen oft postulierten Gegensatz zu Beschäftigteninteressen aufzulösen. Es ist kein Widerspruch, es ist eine Gestaltungsfrage.
Simona Weber (geb. 2004) macht ihr Abitur am Gymnasium an der Schweizer Allee in Dortmund. Seit März engagiert sie sich bei Fridays for Future.
Irgendwie loben alle die Proteste von Fridays for Future – auch die Bundesregierung. Aber konkrete Schritte folgen nicht. Wie erklärt Ihr euch diesen Widerspruch?
SW: Bei uns kommt an, dass wir nicht richtig ernst genommen werden, da wir zur Zeit nur eine Schülerbewegung sind. Viele unterstützen, dass sich die Jugend für etwas einsetzt. Trotzdem spüren sie durch uns keinen Druck, jetzt auch handeln zu müssen. Wir hoffen, dass sich das mit dem 20. September ändert.
FO: Der erste Erfolg von Fridays for Future war, diesen Stempel einer unpolitischen Jugend mal zu überdenken. Aus meiner Sicht war das nie der Fall – egal, ob es gegen Studiengebühren in NRW oder rechte Hetze ging. Fridays for Future haben geschafft, dieses öffentliche Bild wieder zu drehen und zu zeigen, dass die Jugend sich für ihre eigene Zukunft einsetzt. Auf der anderen Seite hat die Bewegung erreicht, dass Leute mehr über Klimapolitik nachdenken: Wie ist mein Konsumverhalten? Was für Strom beziehe ich? Oder welche anderen Formen des Wirtschaftens gäbe es noch?
Lässt sich überhaupt noch von „unpolitischen“ Jugendlichen sprechen, wenn Ihr durch das Schwänzen der Schulstunden regelmäßig Sanktionen in Kauf nehmt?
SW: In meiner Schule machen leider nicht genug mit. Durch die Streiks wird es daher für einige problematisch. Ich kenne viele, die dadurch in der Benotung abgerutscht sind und nun auf der Kippe stehen. Wir können jetzt aber nicht mit dem Protest aufhören.
Braucht es da mehr Solidarität durch Gewerkschaften und andere Initiativen, damit der Druck auf streikende Schüler*innen nicht zu hoch wird?
SW: Natürlich ist es hilfreich, wenn andere uns unterstützen und hinter uns stehen. Aber die Sanktionen gegen das Schwänzen werden unsere Bewegung nicht aufhalten
FO: Was ich beim Thema Schulschwänzen total bekloppt finde, ist, dass es jetzt auf einmal verurteilt wird. Wie viel Unterricht fällt denn aus? Über den Lehrermangel unterhalten wir uns ja schon lange. Im Prinzip ist das nur eine Strategie, die Bewegung zu diskreditieren.
Die Schüler*innen schwänzen, während ver.di-Chef Frank Bsirske rät, vorher brav auszustempeln. Sind die FFF-Aktivist*innen vielleicht ein rebellisches Vorbild, mal doch über einen politischen Streik nachzudenken?
FO: Das könnte rechtliche Konsequenzen für die Organisation geben, wenn wir zum politischen Streik aufrufen, obwohl wir das formal-rechtlich nicht dürfen. Auch finanzielle Folgen könnte das haben. Damit würde unsere eigene Existenz auf dem Spiel stehen. Individualrechtlich sieht es ähnlich aus: Wir haben leider nicht überall Schutzmaßnahmen wie Betriebs- und Personalräte oder Jugend- und Auszubildendenvertretungen, welche die Einzelnen vor Ort unterstützen können. Es ist auch nicht überall möglich – etwa in Krankenhäusern und Orten der öffentlichen Daseinsversorgung. Daher ist es an den Arbeitsplätzen noch mal schwieriger als in der Schule.
Fridays for Future feiert in diesen Tagen einjähriges Jubiläum. Wie blickt Ihr zurück? Was soll noch kommen?
SW: Wir haben erreicht, dass das Klima momentan das wichtigste politische Anliegen ist. Mittlerweile stehen viele hinter uns und sind bereit, sich mit den Themen auseinanderzusetzen und auch privat etwas dafür zu tun. Jetzt geht es darum, das noch stärker in die Politik einzubringen.
FO: Wir sind beeindruckt, was im letzten Jahr passiert ist: Die Jugend hat wieder ihre Stimme erhoben. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Ich hoffe, dass wir diesen Schwung, den das Ganze jetzt angenommen hat, durch Aktionen weiter vorantreiben können.
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