Überflutetes Ahrtal, sterbende Insekten, jubelnde Nazis: Sehr unterschiedlich sind die Schreckensszenarien, die sich mit dem Klimawandel verbinden lassen. Gemalt in Bild und Wort wurden sie eindrücklich im Elberfelder Swane-Café bei einem Vortrag von Extinction Rebellion (XR). Dominik Lange aus Dortmund gab Beschreibung und Ausblick zur Klimakrise – so klar gegliedert wie ungehalten.
Der Temperaturanstieg hat sich herumgesprochen, auch dass seine Begrenzung nötig ist. „Bis 2025 auf Netto-Null", sagt (nicht nur) XR. Beim Vortrag kamen weitere Faktoren zur Sprache, die daraus folgen und ihrerseits Folgen mit sich bringen können; so hat demnach die Eisschmelze die Konsequenz, dass weniger Sonnenlicht zurück gestrahlt werden kann – es wird demnach wärmer. Ganz anderer Art die von Lange gezeichnete Kausalkette in puncto bedrohter Lebensraum: Wenn Menschen klimabedingt ihre Heimat in Scharen verließen, werde die Massenmigration für verschärfte Xenophobie sorgen. Der Exodus aus dem Jemen, erinnerte der Redner, wurde durch Dürre ausgelöst. Und: „Schon der Krieg in Syrien hat die AfD groß gemacht." Gewissermaßen: gesellschaftliche Klimafolgen.
Erwartbar und für sich sprechend hingegen wurde das Swane-Publikum konfrontiert mit projizierten Bildern von durch die Sommerflut getroffenen Regionen Deutschlands. „Geht mal in euch, was das mit euch macht", forderte der Referent das Publikum nach der Bestandsaufnahme auf. Es folgten Worte der Klimaforscherin Kate Marvel und damit ein Paukenschlag: „Ich werde immer gebeten, Hoffnung zu verbreiten. Das Problem ist: Ich habe keine." Eine gehörige Portion Dramatik steckte in all dem, was der Referent auch offen einräumte: Zum Klimakampf zähle unter anderem „Emotionalisierung".
Denn Konzept von XR ist es nach wie vor, Aufmerksamkeit zu schaffen, die Zahl der Mitstreiter zu erhöhen. „Die 3,5 Prozent der Bevölkerung zu mobilisieren, die nötig sind, um Systemveränderungen zu erreichen", wie es in einer ausliegenden Broschüre hieß. Wer die Bewegung schon eine Weile verfolgt, weiß: An diesem Ziel misst XR die Wahl ihrer Mittel. Zuweilen erklärt sie ihren Gewaltverzicht pragmatisch damit, sonst drohe ja schlechte Presse (diese Gefahr sah Lange heute übrigens nicht); ein Vorgehen etwa der Polizei gegen Aktivisten lasse sich womöglich öffentlichkeitswirksam nutzen. XR imponiert schon immer durch nüchternen Blick und klaren Plan – und mit Zahlen, die das leider stützen.
Aber stellt denn nicht die deutsche Ampel-Regierung gerade Weichen für eine verträgliche Klimapolitik? Gefragt, ob XR von Rot-Grün-Gelb bisher enttäuscht sei, sagt Lange: „Ich habe mein Vertrauen ohnehin schon verloren." Gefragt, ob zu befürchten sei, dass der Protest auf der Straße militanter werde, kommt die Antwort salomonisch: „Friedliche Sabotage", etwa, sei gar nicht militant.
Die Entschlossenheit besticht, und ist nur folgegrichtig, schien es auch im Swane: Je näher die kritischen Marken kommen, desto massiver werden die Sorgen – und desto vehementer die Formen, sie zu artikulieren. Ärgerlich nur und schon gedanklich so unbefriedigend: Wenn ja die Lage erwiesen klar ist, nämlich wirklich ernst – warum braucht dann die Politik den Alarm überhaupt, damit konsequent gehandelt wird? Im Swane bleibt man jedenfalls am Ball: Im Wechsel vor Ort und virtuell treffen die Wuppertaler XR-Aktiven sich jeden Mittwoch. Anlass, trotz Ampel kaum zweifelhaft, bleibt mehr als genug.
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