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„Ulrike Maria Stuart”
Foto: Matthias Stutte

Links vom Lagerfeld

26. Januar 2012

H. Schmidt-Rahmer inszeniert am Grillo – Theater Ruhr 02/12

Kapitalismus ist Krise. Er bleibt Krise, wenn auch die bunte schöne Markenwelt die Symbole der Revolution ersetzt, wenn statt Karl Marx Karl Lagerfeld auf die Szenerie blickt, wenn es nicht mehr um die Befreiung der Massen, sondern eher um die letzte Bekleidung des Egos geht.

Hermann Schmidt-Rahmer inszeniert am Essener Grillo Theater Elfriede Jelineks Königinnendrama „Ulrike Maria Stuart“. Hier lässt die Grande Dame des deutschen Gegenwartsdramatik die Frauen der RAF nicht nur ihre Geschichte erzählen, sondern sie entlarvt nebenbei auch die Sinnlosigkeit und Unmöglichkeit eines Aufbegehrens gegen die Staatsmacht. Schon nach dem ersten Bild ist klar, dass es im Grund genommen nie um eine realistische Form der Befreiung ging. Die Revolutionäre sitzen am langen roten Tisch, haben einen Mikrofonständer ins Publikum gestellt und zelebrieren eine nie beginnende Pressekonferenz. Im Standardjargon der hohlen Phrasen wollen sie Reaktionen provozieren, zwingen die Arbeiterschaft auf die Bühne. Doch die erklären nicht ihre Abhängigkeit vom Kapital oder gelüsten nach Revolte, die räumen ziemlich bestimmt die Szenerie leer, rollen die roten Transparente ein. Ab jetzt beherrschen nicht mehr die Kommunisten von Marx bis Mao die Optik, sondern der Fürst des Laufstegs die ganze Welt, und Widerstand ist zwecklos.

Schmidt-Rahmer sieht die Sinnlosigkeit des Aufbegehrens der Bürger rund um den Globus nicht anders. Die Schauspieler bitten im Zuschauerraum zur „Occupy Essen-Bredeney Demo“ in den neureichen Süden. Doch in den Reihen ist man eher am Besitz des läppischen Revolutions-Starterkits denn an tatsächlicher Bambule im eigenen Gefängnis interessiert. Es treffen zum Schluss die beiden Königinnen der RAF zum finalen Verbalbeschuss aufeinander, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin als Jelineksches Abziehbild für Friedrich Schillers Maria Stuart und Elisabeth I. Während die eine die Sinnlosigkeit ihres Tuns längst erkannt hat, bleibt die andere hemmungslos der eigenen Hybris treu. Und alles auf einer leergeräumten Bühne und in weiter Entfernung. Unversöhnlich werden beide am Ende an Stricken baumeln. Der Kampf geht nicht mehr weiter.

„Ulrike Maria Stuart“ I Sa 4.2., 19.30 Uhr I Grillo-Theater Essen I 0201 812 22 00

PETER ORTMANN

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