Neues Jahr, neues Glück: Ins Ruhrgebiet zieht es alle Entertainer, die sich ein Publikum wünschen, das mehr will, als sich auf die Schenkel zu klatschen und laut loszukreischen, wenn der Künstler die Bühne betritt. Eines, das zuhören kann und die Pointen versteht, auch wenn sie hinten durch die Brust geschossen werden. Georg Ringsgwandl, der ehemalige Kardiologe aus Bayern, weiß, wie es drinnen im Menschen ausschaut. In seinen Songs beschreibt er die verzweifelte Kreatur, mit Freude am entlarvenden Detail. Ein Mann, der die normale Absurdität des Alltags besingt, einer, der sich einen Teufel um Zeitgeist und Moden schert. Ringsgwandl steht aufrecht mit beiden Beinen auf dem Boden der doppelten Moral. „Das Leben und Schlimmeres“ heißt das Programm des Punk-Kabarettisten, mit dem er im Bochumer Bahnhof Langendreer (am 27.1.) auftritt – ein Gastspiel, das in Kooperation mit dem Schauspielhaus Bochum stattfindet.
Ein ziemlich abgedrehter Vogel kommt auch mit Jockel Tschiersch in den Bahnhof Langendreer (am 20.1.) – Fernsehzuschauern ist er in vielen Rollen begegnet, ob als Bergbauer, marokkanischer Taxifahrer oder einarmiger schlesischer Wachmann – Tschiersch kann sie alle. Dass er außerdem noch Romane schreibt, muss man nicht unbedingt wissen, aber als Kabarettist ist er eine Wucht. In seinem Programm „Pubertät mit 50“ nimmt er sich selbst und den offenbar nicht spurlos an ihm vorbeigegangenen Jugendwahn auseinander. Zum Beispiel, indem er sich fragt, wie man sich von einem professionellen Indianer in einer Männerschwitzhütte für den ehelichen Sex coachen lassen kann. Mit 17 stand er zum ersten Mal auf der Bühne, hatte jede Menge Träume und noch mehr Pickel – heute weiß er nicht mehr, wie man als „Held fifty-plus“ bei den toughen jungen Frauen punkten kann, und wie straff die Haut sein muss, um als „Pubertäting 50“ bei ihnen zu landen.
Womit wir nahtlos bei Peter Vollmer und seinem „Männer-Kabarett“ angelangt wären: „Frauen verblühen – Männer verduften“ heißt das Solo, mit dem Vollmer am 13.1. im Cabaret Queue in Bochum die prekäre Situation seiner Spezies untersucht – und zu dem Ergebnis kommt, dass der Mann um die vierzig, als Kosmetik-Junkie, Problemzonen-Beschwörer und Schwerkraftfalten-Kenner keineswegs zu beneiden ist. Der sympathische Kabarettist mit den poignées d'amour – will heißen: dem Hüftspeck – nimmt sich selbst unter die Lupe und hat dabei tatsächlich den Stein des weisen 40Jährigen gefunden: Es komme darauf an, ein leidenschaftliches Liebesleben mit der eigenen Frau zu führen und den 50. Geburtstag mit einem Riesenfest zu feiern.
Den frischen Blick von außen hat sich Wladimir Kaminer („Russendisko“) erhalten. Am 25.1. macht er im Oberhausener Ebertbad sein neues Buch zur Grundlage einer satirisch eingefärbten Performance. Der einzig anerkannte russische Deutschlandexperte und deutschsprachige Russlandexperte legt mit „Liebesgrüße aus Deutschland“ eine Sammlung von Geschichten vor, in denen er mit sanfter Ironie gegen Klischees angeht – und auf sie zurückgreift. Etwa indem er den Amis den Colt als Signum ihrer nationalen Identität zuschreibt, den Russen das Destilliergerät und den Deutschen den Aktenordner. Solange es Einwanderer – er lebt inzwischen seit 20 Jahren in Berlin – wie ihn gibt, müssen sich die Deutschen jedenfalls nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob sie nun im Begriff sind, sich abzuschaffen, oder nicht. Wir können also getrost auf ihn anstoßen – Nastrowje, Herr Kaminer! Mit den allerbesten Wünschen für das neue Jahr von
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