Zwölf Jahre waren es, in denen Christian Tombeil als künstlerischer Leiter des Grillo-Theaters das Bühnenprogramm verantwortete. Renommierte Regisseur:innen wie Volker Lösch, Thomas Krupa oder Hermann Schmidt-Rahmer inszenierten in dieser Zeit so komplexe wie gesellschaftskritische Stücke wie „Die Ästhetik des Widerstands“ oder Rebellions-Spektakel wie „AufRuhr“. Aktivist:innen, Arbeitslose oder arme Jugendliche erhielten unter anderem auf der Bühne ein Forum. Zum Abschluss der Spielzeit und der Intendanz von Christian Tombeil führt das Ensemble des Grillo-Theaters ein Wunschstück auf. Die Inszenierung, bei der fast alle Schauspieler:innen noch mal auf der Bühne mitwirken werden, übernimmt Lars-Ole Walburg.
Die Entscheidung fiel auf Tankred Dorsts 1981 uraufgeführtes Theaterstück „Merlin oder Das wüste Land“, ein Werk, das auf knapp 400 Seiten weit über 50 Charaktere versammelt und von der Artusepik inspiriert wurde. Tankred Dorst greift darin unter der Mitarbeit Ursula Ehler die bekannte Rittersaga auf. Der Plot ist bekannt: Der Zauberer Merlin, der Sohn des Teufels, will sich dem Guten zuwenden. Mit dem jungen Artus, dem es als einzigem gelingt, das Schwert Excalibur aus dem Stein zu ziehen, initiiert er die Tafelrunde, deren Vorsitzender bekanntlich Artus wird: als König. Ritter wie Galahad oder Lancelot gesellen sich zu diesem ersten runden Tisch der Menschheitsgeschichte. Ihr gemeinsames Ziel: die Suche nach dem Gral.
Auf ihrem Weg kommt es zu Gewalt und Verrat, zu Romanzen und Ehedramen. Dass die hehren ritterlichen Tugenden und Ziele in dieser Vorlage letztendlich zu bröckeln drohen, veranlasste Dorst erst dazu, den Artusstoff in seiner Gegenwart aufzugreifen. Das legt zumindest ein Kommentar des Dramatikers nahe: „Merlin ist eine Geschichte aus unserer Welt: das Scheitern von Utopien.“ Der Dramatiker verfasste damit eine Parabel auf die einstige Aufbruchsstimmung um 1968, die schließlich einer „bleiernen Zeit“, dem Platzen der utopischen Träume wich. Das Stück verhandelt damit die großen Motive: Macht, Demokratie, Ohnmacht und Generationskonflikte. Zugleich birgt das Stück einen Revuecharakter voller Fantasie, Abenteuer und Action – kurz: Diese Inszenierung verspricht einen krönenden Abschluss einer großartigen Intendanz unter Christian Tombeil.
Merlin oder Das wüste Land | 29.4., 19 Uhr | Theater Essen | www.theater-essen.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Bedürfnis nach Wiedergutmachung“
Aisha Abo Mostafa über „Aus dem Nichts“ am Theater Essen – Premiere 02/23
Rache für den Gedankenstrich
„Marquise von O…“ in der Essener Casa – Auftritt 11/20
„Den Begriff Familie mal überdenken“
Intendant Christian Tombeil über das Essener Spielzeitmotto „We are family“ – Premiere 09/20
Love is in the air
Der Theater-März im Ruhrgebiet – Prolog 02/19
Böse Welt da draußen
„Auerhaus“ im Essener Casa – Theater Ruhr 01/19
Das rituelle Begräbnis von Visionen
„Proletenpassion“ zum Ende des Bergbaus in Essen – Auftritt 06/18
„Der ewige Konflikt zwischen Mensch und Maschine“
Nils Voges zur Inszenierung von „Metropolis“ im Theater Essen – Premiere 02/18
Inspiration Ruhrpott
TUP-Festtage 2018: Kunst5 „Heim Art“ – das Besondere 02/18
Scheitern des Verschwindens
Festival „638 Kilo Tanz“ in Essen – das Besondere 11/16
Zwischen Wunschpunsch und Biofleisch
Die Letzten sind nie die Ersten. Vorweihnachtsstücke im Ruhrgebiet – Prolog 10/16
Jack Sparrow singt Oper
Guy Joosten inszeniert „Die schweigsame Frau“ in Essen – Oper in NRW 04/15
Von der RAF bis an Belt
Elfriede Jelineks „Wolken.Heim“ am Theater Essen – Theater Ruhr 04/15
Liebe ist immer für alle da
„Same Love“ am Theater Gütersloh – Prolog 11/24
„Ich glaube, Menschen sind alle Schwindelnde“
Regisseurin Shari Asha Crosson über „Schwindel“ am Theater Dortmund – Premiere 11/24
Mentale Grenzen überwinden
„Questions“ am Münsteraner Theater im Pumpenhaus – Prolog 10/24
Bollwerk für die Fantasie
Weihnachtstheater zwischen Rhein und Wupper – Prolog 10/24
Der Held im Schwarm
„Swimmy“ am Theater Oberhausen – Prolog 10/24
Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24
„Was dieser Mozart gemacht hat, will ich auch machen“
Komponist Manfred Trojahn wird 75 Jahre alt – Interview 10/24
„Hamlet ist eigentlich ein Hoffnungsschimmer“
Regisseurin Selen Kara über „Hamlet/Ophelia“ am Essener Grillo Theater – Premiere 10/24
Das gab es noch nie
Urbanatix im Dezember wieder in Essen – Bühne 10/24
Die Zwänge der Familie
„Antigone“ in Duisburg – Prolog 09/24
Das schöne Wesen aller Dinge
Festival Spielarten 2024 in NRW – Prolog 09/24
Jenseits von Stereotypen
„We Love 2 Raqs“ in Dortmund – Tanz an der Ruhr 09/24
Wüste des Vergessens
„Utopia“ am Theater Oberhausen – Prolog 09/24