Das Rottstr5 Theater ist an diesem Abend das Reich der „Selektion“. In abgewetzter Lederjacke und verwaschener Jeans steht Luca Gillian da. Sein Haar ist akkurat gescheitelt, es fällt nach links und erinnert an die Frisur von Hurts-Sänger Theo Hutchcraft. Luca Gillian ist kein Mann der großen Worte, seine Moderationen sind kurz und bündig. Er verliert sich lieber in seiner Musik und rotzt kraftvoll seine Texte ins Mikrofon.
Ungewöhnlich inspiriert
Zwei weitere Mitstreiter sind bei der „Selektion“ mit an Bord. Max Rieger ist für den Synthie-Sound verantwortlich, Hannes Rief spielt Trompete. Als Vorbilder nennt das Trio Bands wie D.A.F. oder Nitzer Ebb. Auch die Einflüsse des 80er-Jahre-Discosounds von Giorgio Moroder, dem Erfinder der Synthesizer Disco-Musik, macht die Band für sich geltend. Entstanden ist so eine Melange aus elektronischen Klängen, gepaart mit dem wunderbaren Spiel einer Trompete. Ungewöhnlich, aber dennoch stimmig. „In unserer Musik gibt es genügend Parallelen zum New Wave, aber die Kälte fehlt“, erklärt Luca Gillian. „Hier kommt die neue Unschuld“, heißt es dazu selbstbewusst auf ihrer Homepage.
„Mich langweilen diese sich immer wiederholenden Sounds. Ich mag eben bestimmte Harmonien, die von anderen auch als düster empfunden werden“, erklärt Max Rieger. In ihrer Musik gehe es nicht um Härte, sondern um die Möglichkeit ihr Musikverständnis auszuleben. Musik müsse eben nicht immer glücklich oder freudig klingen, um auch Spaß zu machen. „Wir machen eben keine konventionelle Musik. Aber wir wollen andere Menschen damit inspirieren“, so Max Rieger weiter. „Jede Musik kann populär sein“, findet Hannes Rief.
Charles Darwins Evolutionstheorie beeinflusste den Namen der Band. Ähnlich wie Erbinformationen an einen anderen Träger weiter gegeben werden, summieren sich auch die vielen unterschiedlichen Musikstile der Gruppe. Auch „Die Selektion“ griff immer wieder Musikstile auf, fügte sie zu etwas Neuem zusammen und entwickelte sie weiter. Am Ende steht nun das Produkt „Die Selektion“. Ein Prozess, der gleichzeitig Sinnbild ihres Schaffens ist.
Authentisch melancholisch
Genauso wenig wie ihr Name sind auch ihre Texte alles andere als oberflächlich. In ihrem Song „Muskelberg“ sprechen sie über Liebe und Leid, in „Du rennst“ befassen sie sich mit der Angst vor der Wirklichkeit. Dieser melancholische Sound kommt auch beim Publikum gut an. Ihre eigenwillige Musik wirkt authentisch. „Sie glauben an das, was sie da machen“, sagt Thomas, der die Selektion heute zum ersten Mal sieht. Selbst nach einer Stunde mag er immer noch ihren subversiven Klängen lauschen.
Momentan arbeitet „Die Selektion“ an ihrem zweiten Album. Aber „ohne Hektik und Stress“, wie Hannes Rief betont, denn es entstünde eher „zufällig“. Die Compilation Death Disco Volume Two mit der „Selektion“ erscheint am 8. Juni. Ansonsten ist da noch ihre Tour, die sie durch Italien und Russland führen wird. Die Jungs verstehen es jedenfalls, ihr Reich zu bespielen.
weitere Infos: www.rottstr5-theater.de | dieselektion.tumblr.com
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