Pop Art – wer hats erfunden? Nein, nicht die US-amerikanischen Künstler. Warhol, Lichtenstein & Co. waren einfach nur ein bisschen lauter und geschäftstüchtiger. Geprägt wurde der Begriff für für Kunst mit populären Alltagsmotiven aus Presse, Film, Fernsehen und der schönen neuen Warenwelt in Wahrheit von der Independent Group, einem 1952 an der Londoner Akademie gegründeten Zirkel rund um den Theoretiker Lawrence Alloway und Künstler wie Richard Hamilton und Eduardo Paolozzi. Als Gegenbewegung zum genialischen (abstrakten, informellen) Unikat der Nachkriegsmalerei propagierten sie „Kunst für alle“: Siebdrucke, Collagen, Auflagenkunst, für jedermann erschwinglich. Der Düsseldorfer Anwalt Heinz Beck (1923–1988) kaufte mit Begeisterung. Eine exquisite Auswahl von rund 350 Arbeiten von 31 Künstlern aus Becks großem Konvolut zeigt die Ludwiggalerie in ihrer lockeren Reihe „Meisterwerke massenhaft“.
Die Ausstellung startet klassisch: im Entrée hängt ein Überblick aus allen Themenbereichen und von fast allen Künstlern, dazu etwas Beiwerk aus den Anfängen in einer Vitrine. Alles schön bunt, Aufbruchsstimmung, Fortschrittsglaube … mal affirmativ, mal ironisch, aber auch beinharte Gesellschafts- und Konsumkritik. Als vorherrschende Technik hatten Künstler wie Paolozzi die Collage für sich entdeckt – aber auch das Design eines Rosenthal-Services stammt von ihm. Einige Geschirrteile haben die Kuratoren für die Präsentation eigens ersteigert.
Die drei Ausstellungsetagen sind thematisch strukturiert: Stars, Werbung, Massenprodukte, Mondlandung, Politik, Sex – und jede Menge Musik. Ein besonderes Special gilt den Beatles und ihren legendärsten Alben: dem überbordenden „Sgt. Pepper’s“ (Covergestaltung Peter Blake/Jann Haworth) und seinem Gegenstück, dem von Richard Hamilton in äußerster Reduktion designten Weißen Album. Beigabe ist eine nie gezeigte Fotoserie von Rudolf Holtappel vom Beatles-Konzert 1966 in der Essener Grugahalle: mit einem verzückten jungen Publikum im gesitteten Sonntagsstaat.
Und dazu gibt’s, ganz Pop, auch was auf die Ohren. An einer Musikstation sind beide Beatles-Alben durchzuhören. Auffallend viele Besucher leihen sich spezielle Audioguides, gefüttert mit 27 Songs, die man vor einzelnen Werken zuschalten kann. Der Sound-Walk will weitere Wahrnehmungsebenen aktivieren und Assoziationen triggern – oder einfach gute Laune verbreiten.
British Pop Art | bis 12.5. | Ludwiggalerie Schloss Oberhausen | Konrad-Adenauer Allee 46 | 46049 Oberhausen | 0208 4124928 | www.ludwiggalerie.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Keine klassischen Porträtfotografien“
Kuratorin Kerrin Postert über „UK Women“ in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen – Sammlung 06/24
Auf nach Phantásien!
Illustrationen zu Michael Endes Geschichten in Oberhausen – Ruhrkunst 10/23
Wege der Landschaftsdarstellung
Sven Drühl in Oberhausen – Kunst 08/23
Steinewerfer auf der Leiter
Barbara Klemm in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen – Kunstwandel 03/23
„Wir leisten hier echte Pionierarbeit“
Christine Vogt über die Preußler-Ausstellung in Oberhausen – Sammlung 08/22
„Es geht um den künstlerischen Seitensprung“
Comic-Experte Eckart Sackmann über die Ausstellung „VINYL!“ in Oberhausen – Sammlung 01/22
Flaneure vor Industriekulisse
Rudolf Holtappel in Oberhausen – Ruhrkunst 07/20
Skulpturen für alle
Jacques Tilly in Oberhausen – Ruhrkunst 03/20
„Sie hatte das Talent, die Leute zu lösen“
Museumschefin Christine Vogt zur Ausstellung über Linda McCartney – Sammlung 01/20
Jede Augenbraue einzeln frisieren
Hollywood Icons in der Oberhausener Ludwiggalerie – Kunstwandel 07/19
Eine Handbewegung für die Kunst
„Die Geste“ in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen – Kunstwandel 10/18
Nostalgie für Waldbewohner
Fix & Foxi in Oberhausen – das Besondere 06/18
Aus zwei Sammlungen
Das frühe 20. Jahrhundert im Kunstmuseum Mülheim – kunst & gut 11/24
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
„Mangas sind bei der jungen Leserschaft die Zukunft“
Leiter Alain Bieber über „Superheroes“ im NRW-Forum Düsseldorf – Sammlung 11/24
Der Künstler als Vermittler
Frank van Hemert in der Otmar Alt Stiftung in Hamm-Norddinker – kunst & gut 10/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
„Weibliche und globale Perspektiven einbeziehen“
Direktorin Regina Selter über „Tell these people who I am“ im Dortmunder Museum Ostwall – Sammlung 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
„Jeder Besuch ist maßgeschneidert“
Britta Peters von Urbane Künste Ruhr über die Grand Snail Tour durch das Ruhrgebiet – Sammlung 09/24
Orte mit Bedeutung
Zur Ruhrtriennale: Berlinde De Bruyckere in Bochum – kunst & gut 09/24
Denkinseln im Salzlager
Osteuropäische Utopien in Essen – Ruhrkunst 08/24
Ausgezeichnet auf Papier
Günter Drebusch-Preis 2023 in Witten – Ruhrkunst 08/24
Räume und Zeiten
Eindrucksvoll: Theresa Weber im Kunstmuseum Bochum – kunst & gut 08/24